Was tun, wenn man im Kofferraum des Autos eine Riesenfliege in Größe eines Köters findet? Dieser Frage, die wir uns bestimmt alle schon einmal gestellt haben, geht Kino-Surrealist Quentin Dupieux in seinem neuen Film „Mandibles“ („Mandibules“) nach, der seine Premiere dieser Tage beim Crossing Europe Festival in Linz feierte (und demnächst auch beim Slash 1/2 in Wien zu sehen sein wird).

von Christian Klosz

Die Ausgangslage dieser absurden Komödie ist schnell umrissen: Die beiden liebenswerten Vollidioten Manu und Jean-Gab ziehen wieder einmal einen ihrer Gelegenheitsjobs ans Land. Sie sollen ein kleines Köfferchen mit unbekanntem Inhalt im Rückraum eines Autos von einem Ort zum anderen transportieren und dafür 500€ erhalten. Klingt einfach, ist es nicht, denn zuerst muss ein Auto besorgt, sprich: gestohlen werden, worum sich Manu kümmert. Als sich die beiden Deppen schließlich auf den Weg zum Paket-Absender machen, klopft und rumpelt es ganz seltsam hinten im PKW. Die Öffnung des Kofferraums offenbart den Urheber: Eine Riesenfliege hat es sich hier gemütlich gemacht. Da hat Genie Jean-Gab die Jahrhundert-Idee: Warum nicht auf den 500€-Job pfeifen und stattdessen das Mega-Insekt abrichten und trainieren wie einen Hund, damit es Banküberfälle und andere riskante, aber gewinnbringende Aktivitäten für die beiden durchführen möge, die sich nur zurücklehnen und auf das große Geld warten bräuchten?

Doch die Umsetzung des irrwitzigen Vorhabens ist schwieriger, als gedacht, denn zuerst muss unser duo infernale eine Unterkunft finden, da beide derzeit between homes sind. Nachdem jene (ein ausrangierter Wohnwagen) abfackelt, kommen sie bei einer (vermeintlichen) Schulfreundin von Manu unter, während sie von einem Schlamassel in den nächsten stolpern und das Geheimnis ihres ungewöhnlichen „Haustierchens“ im wahrsten Sinne des Wortes aufzufliegen droht.

Wer Dupieux nicht kennt, wird ob dieser Inhaltsangabe den Kopf schütteln, für Freunde des Franzosen ist aber schnell klar: Das ist typischer Dupieux-Stoff. Waren es in der Vergangenheit Killer-Reifen und -Jacken, platziert der Regisseur und Drehbuchautor diesmal ein Rieseninsekt im Zentrum seines Films, um das herum sich wie gewohnt eine Komödie voller Absurditäten und schrägem Humor entwickelt. Einen „tieferen Sinn“ sollte man von und hinter „Mandibles“ nicht erwarten, es geht um den Willen zum Wahnsinn und dessen cineastische Übersetzung.

Freude bereiten einem in erster Linie die beiden Hauptfiguren, gekonnt verkörpert von David Marsais und Gregoire Ludig, die den Prototyp des unbedarften Einfaltspinsel mimen, für dessen Pech in erster Linie die eigene Dummheit verantwortlich ist. Dupieux porträtiert und die beiden Darsteller spielen Manu und Jean-Gab aber derart liebevoll, dass man nicht anders kann, also sie – trotz allem – zu mögen. Zu den Vorzügen von „Mandibles“ zählen außerdem die Dialoge, die Situationskomik und die dramaturgischen Einfälle, die die Lage der beiden Protagonisten immer weiter eskalieren lassen.

Kritisieren kann man, wie erwähnt, die fehlende Tiefe und dass von dem Film außer unterhaltsamen knapp 80 Minuten nicht viel hängen/übrig bleibt. Das ist nicht nichts, aber ein großer Wurf sieht doch anders aus. Zugutehalten muss man Dupieux, dass er seine Hauptfiguren nie vorführt, in Zynismus oder Nihilismus verfällt, stattdessen zwischen all den verrückten Volten tatsächlich so etwas wie tiefe Liebe und Zuneigung (für die alles andere als perfekten Charaktere) und Humanismus zu finden ist.

Bewertung:

Bewertung: 7 von 10.

(74/100)

Update: „Mandibles“ ist auch im Rahmen des Slash 1/2 – Festivals in Wien zu sehen.

Bilder: (c) Crossing Europe