Auch wenn man es bald nicht mehr hören kann, aber es ist und bleibt nach wie vor eine merkwürdige Situation. Gerade auch die Filmbranche erfuhr durch die Einschränkungen des letzten, und auch noch diesen Jahres einen Schlag, wie es ihn wohl kaum jemals zuvor in der Geschichte dieser Kunstform gab. Strukturen mussten neu überdacht, neue Wege gefunden und neue Plattformen geschaffen werden, wollte man die bereits produzierten Werke nicht einfach in der Schublade vergammeln lassen und wenigstens ein bisschen Geld damit verdienen. „Streamen“ war das Zauberwort der Stunde. Und auch dem Haus der Maus kam der Launch seiner eigenen Streamingplatttform, kurz bevor es dann mit den Schließungen losging, wohl ganz gelegen.

von Mara Hollenstein-Tirk

So konnte man dem gewillten Publikum den neuesten Film wenigstens in irgendeiner Form präsentieren, und dank VIP-Zugangsmodell sogar zumindest einen Teil der Kosten wieder hereinholen (wie viel genau Disney dank dieses Bezahlmodells bei einigen Filmen eingenommen hat, darüber schweigt sich der Konzern allerdings nach wie vor aus). „Mulan“ war der erste Filme, der so vermarktet wurde, dann kamen noch ein paar weitere und schließlich landete auch der neue Animationsfilm „Raya und der letzte Drache“ mit VIP-Zugang bei Disney+. Zumindest bis zum 4.6. war dem so, denn seit diesem Tag ist der Film nun im ganz normalen Abo von Disney+ enthalten.

Eine Disney-Produktion, ein originärer Stoff und keine Fortsetzung oder Live-Action-Adaption – da wird man natürlich hellhörig. Ein kurzer Blick in die Synopsis verrät einem dann zwar, dass es wieder mal um eine junge Frau geht, die versuchen muss, ihre Welt vor dem Untergang zu bewahren. In diesem Fall heißt die besagte Heldin Raya. In einem fernen Land namens Kumandra lebten die Menschen einst in Harmonie, nicht nur untereinander, sondern auch gemeinsam mit Drachen. Doch eines Tages wurde dieses Paradies zerstört, durch angsteinflößende Wesen namens Druun, welche den Menschen ihre Lebensenergie stehlen und sie in Stein verwandeln. Mit ihren letzten gebündelten Kräften verjagten die Drachen die Druun, wurden dabei jedoch selbst zu Stein. Nur ein letzter Drache soll überlebt haben und sich am Ende eines Flusses versteckt halten. Als die Druun nun nach etlichen Jahrhunderten wieder zurückkehren, macht sich Raya auf den Weg, um den letzten Drachen zu finden und so die Welt vor der endgültigen Vernichtung zu bewahren.

Business as usual sozusagen, aber gut, dass muss ja noch nichts heißen, immerhin gibt es dutzende Filme mit diesem Grundschema im Katalog der disneyschen Zeichentrickfilme und trotzdem werden sie von vielen heiß geliebt. Denn die Magie eines Disneyfilms steckt meist nicht in einer komplexen Story, ganz im Gegenteil, es sind elementare Botschaften, möglichst einfach gehalten, damit sie auch wirklich jeder versteht. Die besten Filme für die ganze Familie vermitteln Werte, indem sie eine Geschichte erzählen, aus der jeder etwas für sich mitnehmen kann – egal ob jung oder alt. „Raya und der letzte Drache“ versucht genau dieses Kunststück, kann auf vielen Ebenen auch als wirklich gelungen bezeichnet werden, bleibt allerdings trotzdem hinter den großen Klassikern ein Stück weit zurück. Dabei ist auf produktionstechnischer Ebene noch alles in Butter. Wieder einmal beweist Disney hier mehr als deutlich, dass ihnen in Sachen Animation niemand etwas vormachen kann. Auch wenn sich Nostalgiker vielleicht nach wie vor die guten alten, handgezeichneten 2D-Zeiten zurücksehnen, kann man dennoch nicht bestreiten, dass der Film einfach atemberaubend schön ausschaut. Hier waren wahre Meister ihres Faches am Werk.

Abgesehen vom makellosen Look, gibt es dann aber doch ein paar Schönheitsfehler, die Kinder wahrscheinlich nicht einmal wahrnehmen werden, für einen Erwachsenen das Bild allerdings etwas trüben. Da wäre einmal, dass man geradezu überschwemmt wird mit einer Flut an obligatorischen niedlichen Sidekicks. Diese sorgen zwar für Erheiterung, und ihre große Anzahl wird sogar nachvollziehbar in die Geschichte verwoben, trotzdem kommt man nicht umhin, sich manchmal zu wünschen, dass man diese Zeit lieber dem „Bösewicht“ oder einer der Hauptfiguren gewidmet hätte. Gerade in diesem Fall, wo manche Figuren äußerst ambivalent und facettenreich angelegt wären, ist es schade, dass man stattdessen lieber zuschauen soll, wie drei Affen und ein Baby über einen Marktplatz turnen. Ein weiterer Punkt, welcher Disney-Fans vielleicht irritieren könnte: Obwohl die für den Film komponierte Musik wirklich stimmig und schön ist, findet sich über die gesamte Laufzeit hinweg nicht ein einziger Song. Wer also auf ein weiteres „Farbenspiel des Winds“ oder „Lass jetzt los“ hofft, der wird hier sicherlich bitter enttäuscht werden. Was genau die Verantwortlichen dazu bewogen hat, diesmal auf eines ihrer Markenzeichen zu verzichten, bleibt wohl ihr Geheimnis.

Fazit:

Auch wenn sich das alles nun vielleicht ein bisschen negativ angehört hat, bleibt als Fazit doch zu sagen, dass Disney mit „Raya und der letzte Drache“ einmal mehr ein temporeiches, amüsantes Abenteuer geglückt ist, das zwar nicht ganz an die absoluten Glanzstunden des Studios heranreicht, aber nichtsdestotrotz gelungene Unterhaltung für die gesamte Familie bietet.

Bewertung:

Bewertung: 8 von 10.

(77/100)

Bild: (c) Disney