Der Zwiespalt zwischen Beruf und Familie ist für viele Frauen das, was es ist: eine kaum lösbare Aufgabe. Etwa, wenn man als Mutter dem Traum von der eigenen Selbstverwirklichung ganz nahe kommt, es da aber noch diese immense Verantwortung gibt, die man für einen kleinen Menschen trägt. Und was, wenn man als junge Mutter dann noch entscheidet, sich ein ganzes Jahr lang einer bedeutenden Weltraummission zu verschreiben? Genau diese Themen behandelt Alice Winocour in ihrem Drama “Proxima – Die Astronautin” auf eine sehr feinfühlige und wirkungsvolle Weise. Im Rahmen des diesjährigen Crossing Europe Filmfestivals in Linz konnte man den Film schon vor dem offiziellen Kinostart am 24. Juni auf der großen Leinwand bestaunen.
Von unserer Gastautorin Julia Beetz
Die französische Astronautin Sarah Loreau (Eva Green) wurde ausgewählt, um Teil der einjährigen Weltraummission, genannt “Proxima”, zu sein. Die jahrelange Arbeit in der European Space Agency in Köln hat sie genau darauf vorbereitet. Doch bevor Sarah die Mission antreten kann, muss sie sich dem harten Programm des Juri-Gagarin Trainingszentrums in Moskau unterziehen. Auf teils sexistische Anspielungen ihres Vorgesetzten und zukünftigen Weltraum-Crew-Kollegen, des erfahrenen Veteranen Mike Shannon (Matt Dillon), reagiert sie mit noch größerem Ehrgeiz bis zur Selbstausbeutung: Sie gibt alles und gelangt somit schnell an ihre physischen wie psychischen Grenzen. Doch die größte Herausforderung stellt die Trennung von ihrer kleinen Tochter Stella (Zélie Boulant-Lemesle) dar. Die ist während des Trainings bei ihrem Papa (Lars Eidinger), der von Sarah getrennt lebt, wo sie auch die Zeit von Sarah All-Trip verbringen soll. Deren völlige Hingabe zum Beruf führt zu immer größer werdenden Spannungen, die zwischen Mutter und Tochter aggregieren. Sarah sieht sich plötzlich ambivalenten Gefühlen gegenüber: Einerseits ist da der Wunsch, eine gute Mutter und immer für das Kind da sein zu wollen, auf der anderen Seite die Ambition, die erste Frau zu sein, die je den Mars betreten wird. Kann Sarah ihrer Tochter begreiflich machen, wie bedeutend und großartig diese Aufgabe ist, der sie sich verschrieben hat?
Alice Winocour erzählt ihre Story auf behutsame und bedachte Weise und mit natürlich-realistischen Bildern. Als motivisches Zentrum platziert “Proxima” den Wunsch, dem großen Lebenstraum nachzugehen, ohne jedoch die emotionalen, ganz persönlichen Faktoren außer Acht zu lassen, der mit Sarahs Mutterrolle zusammenhängen. Wincours Blick ist weit und lässt dabei auch Stellas Perspektive bezüglich des äußerst schmerzlichen Aspektes des Verlassenwerdens nicht aus. Es ist eine berührende Geschichte von einer außergewöhnlichen Berufung. Anstatt mit Special-Effects zu prunken, konzentriert sich “Proxima” auf die Strapazen des Weltraum-Trainings und lenkt den Fokus auf die zwischenmenschlichen Beziehungen der Figuren zueinander. Mit der steadycam wird die Gefühls-Achterbahn, die Zerrissenheit der Protagonistin passend illustriert.

Abgerundet wird das Ganze durch die außergewöhnlich glaubwürdige Darstellung von Eva Green. Doch allen voran überzeugt die junge Aktrice Zélie Boulant-Lemesle mit großem Talent und einem für ihr Alter außerordentlichem Schauspiel. So ist “Proxima” also ein bewegendes Drama, das mit nur wenigen Schwächen (etwa einer doch etwas fragwürdigen Aktion Seitens der Protagonistin gegen Ende) auskommt und den Zuschauer mit auf eine außergewöhnliche Reise nimmt, die uns lehrt, dass es Dinge von großer Bedeutung gibt, deren Wichtigkeit man erst noch erkennen muss.
Bewertung:
(83/100)
“Proxima” startet am 24.6. in unseren Kinos.
Bilder: (c) Crossing Europe
Hat dies auf Film plus Kritik – Online-Magazin für Film & Kino rebloggt und kommentierte:
Ab heute regulär im Kino:
Eine simple Dokumentation über die Ausbildung von Astronauten. Als Titelfigur steht Sarah (Eva Green) im Mittelpunkt. Damit die Handlung etwas aufgelockert wird, taucht Sarahs Tochter Stella in ihr näheres Umfeld. Ihre Aufgabe ist es, etwas auf der emotionalen Schiene zu fahren und Muttern anzuhimmeln. Vater Thomas (Lars Eidinger) trudelt ebenso planlos um die Protagonistin herum wie Wendy (Sandra Hüller), der man überhaupt keine echte Position zuordnen kann. Da tut sich Kollege Mike (Matt Dillon) auch nicht viel leichter. Die starke Präsenz deutscher Schauspieler ist auffällig. Leider müssen hier alle unter der Regie von Alice Winocour mit gebremstem Schaum agieren, obwohl sie es mehrfach bewiesen haben, dass sie es echt draufhaben.
Eine Werbung für die bemannte Raumfahrt ist der Film keineswegs und die Profis, die den Job kennen, werden höchstens sachliche Kritik äußern. So gesehen ist es eine echte Talentverschwendung! Wen sollte der Streifen also interessieren? Vielleicht Tony Tonne? K.V.