Mit „Die Migrantigen“ schuf Regisseur Arman T. Riahi 2017 einen der witzigsten, klügsten und unterhaltsamsten österreichischen Filme der letzten Jahre. Aus eigener Erfahrung: Der wird auch nach mehrfachem Sehen nicht schlechter, und das schaffen nur wenige. Mit „Fuchs im Bau“ legt er nun seinen nächsten Film vor, der die diesjährige Diagonale eröffnen durfte und am 18.6. auch regulär im Kino startet. Während weltanschauliche Zugänge und der Blick, mit dem Riahi auf die Gesellschaft schaut, gleich bleiben, herrscht eine gänzlich andere Tonalität: Das Werk ist ein intensives Sozialdrama in dunklen Farben, das die Zustände – und vor allem die Menschen – in Jugendhaftanstalten in den Fokus nimmt.

von Christian Klosz

Die Ausgangslage: Der neue Gefängnislehrer Fuchs (solide: Alexandar Petrovic) soll die alte Häsin Berger (großartig: Maria Hofstätter) ablösen – denkt zumindest er, denn die „graue Eminenz“ des Jugendgefängnisses in Wien will so leicht ihren Platz nicht räumen. Zu Beginn degradiert sie ihren neuen Kollegen zum Assistenten und lässt ihn Unterrichtsutensilien kaufen und Kaffee holen, um ihm klar zu machen, wo sein Platz „im Bau“ ist. Mit der Zeit erkennt sie, dass auch er – trotz seiner etwas eigenwilligen Art – einer der „Guten“ ist, dem es in erster Linie um die Kids geht, die mehrheitlich auf eine perspektivenlose Zukunft in der Welt da draußen blicken. Besonders die verschlossene Samira (Luna Jordan) hat es ihm angetan, die mit niemandem spricht und immer wieder durch Gewaltausbrüche auffällt. Fuchs findet einen Zugang zu ihr und bekommt mit der Zeit heraus, was der wahre Grund für ihre Aggressionen ist, die sie auch ins Gefängnis gebracht haben, während sein eigenes, verdrängtes Trauma immer weiter an die Oberfläche kommt.

„Fuchs im Bau“ hat viele Qualitäten: Zum einen ist es der entspannte, offene, realistische und vor Allem zutiefst humanistische Zugang, mit dem Riahi auf eine Welt blickt, die den meisten von uns im Alltag verschlossen bleibt. Er lässt seine Jugendlichen sein, wie sie sind, reden, wie sie das (vermutlich) tun und auch ihre Gegenparts (Lehrer, Gefängniswärter) so reagieren, wie das in dem Mikrokosmos nun mal die Norm ist (zu sein scheint). Lehrerin Berger hält nichts von Belehrung, Bekehrung oder Zwang, sondern lässt ihre Schüler und Schülerinnen Menschen sein, was sie außerhalb des Baus nicht sein dürfen oder durften.

Vor allem im Umgang mit dem zentralen Konflikt der Dramaturgie (die Hintergründe für Samiras Verhalten) zeigt der Film große Sensibilität und eine bemerkenswerte Weitsicht. Konflikte um und aufgrund sexueller Orientierung, Identität etc. sind am schlimmsten wohl nicht für gebildete Bobo-Großstädter im liberalem Umfeld, die Anknüpfungspunkte, Sprache und Ausdrucksmöglichkeiten für ihr „Anderssein“ haben, sondern für jemanden wie Samira, die aus einer konservativen Familie aus Ex-Jugoslawien kommt, deren Mitglieder sie nicht akzeptieren können, wie sie ist, und die sie bekämpfen und ändern wollen. Dem entgegenzutreten und Samira anzunehmen, das ist die Toleranz, von der alle immer reden.

Wobei bis zum Schluss leider nicht ganz klar wird, worum es genau geht, denn die Andeutungen bleiben vage: Anscheinend fühlt sich Samira in ihrem Körper (oder mit der ihr zugeschriebenen Identität) nicht wohl, fraglich bleibt, ob es sich dabei um die geschlechtliche Identität handeln, die sexuelle Orientierung, oder nur um das von ihr von ihrem Umfeld erwartete weibliche Verhalten („Warum kann sie nicht einfach ein normales Mädchen sein?“ wie ihre Mutter einmal fragt). Als Zuschauer hätte man sich gewünscht, dass der Konflikt noch etwas klarer aufgelöst wird, mehr Raum bekommt, dass Samira sprechen oder selbst erklären darf, worum es ihr geht, anstatt dass der Film quasi damit endet.

Fazit:

In seinem zweiten Spielfilm nach „Die Migrantigen“ schlägt Regisseur Arman T. Riahi ganz andere Töne an: Statt Lachern en masse gibt es in „Fuchs im Bau“ ein teils düsteres, aber realistisches Drama über den Alltag in einem Jugendgefängnis. Die Themen (Identität, Herkunft, Erwachsenwerden, Konflikt,…) erschließen sich dem Publikum nicht über gefinkelten Humor, sondern über direkte Emotion, die von tollen Darstellern vermittelt werden. Wenngleich ein gelungener, sehenswerter Film, stellt sich die Frage, ob Riahi nicht doch die Komödie besser liegt. Das ist aber Jammern auf hohem Niveau.

Bewertung:

Bewertung: 8 von 10.

(75/100)

Bilder: © Golden Girls Film