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Vor-Bilder #7: „True Romance“ (1993)

Was sind filmische Vorbilder? Filme, die es schaffen, auch nach Jahren oder Jahrzehnten einen bleibenden Eindruck beim Zuschauer zu hinterlassen. Filme, die ihr Genre oder ihre Zeit prägten. Filme, die einen Abdruck in der Filmhistorie hinterlassen konnten, die Neues hervorbrachten, die anderen Filmemachern als Inspiration dienten, die Kulminationspunkte der Arbeit von Regisseuren und Filmschaffenden sind und waren, die deren Arbeit zusammenfass(t)en. „True Romance“ ist so ein Werk. Nicht so sehr, weil er ein besonders herausragender Film wäre (Tony Scott machte viele hervorragende Filme), sondern weil er diverse Fäden des US-Kinos zusammenlaufen lässt und gleich 3 der prägendsten Figuren dessen vereint. Regisseur Scott exerziert sein Euvre durch: Kitsch-Romantik, atemberaubend schöne und stilistisch herausragende Bilder – und harte, brutale Action. Für das Drehbuch sorgte kein Geringerer als Quentin Tarantino, der hier – knapp nach seinem Regie-Debüt „Reservoir Dogs“ – an allen Ecken und Enden spürbar ist, nicht zuletzt in den teils aberwitzigen Dialogen. Highlight seiner energischen Dramaturgie und der manischen Konversationen bleibt die Konfrontation zwischen Protagonist Clarences (Christian Slater) Vater (Dennis Hopper) und dem von Christopher Walken verkörperten, sizilianischen Mafiaboss Vincenzo Coccotti. Der versucht aus Papa Worley den Aufenthaltsort des Sohnemanns, der mit seinem Kokain durchgebrannt ist, herauszuquetschen. Doch Papi reagiert auf das Machtspiel auf seine eigene Art: Sizilianer würden von „Niggern“ abstammen, wie er wortreich erläutert. Tarantino beschreibt und enttarnt hier US-amerikanischen Alltagsrassismus – heute sind solche Dialoge unvorstellbar -, zugleich ist es das Bild eines perfiden Machtkampfes zwischen zwei Alphamännern, das nur auf eine Art enden kann: Mit dem Tod eines der beiden Duellanten.

Weil bisher vernachlässigt wurde, zu erwähnen, worum es in „True Romance“ eigentlich geht: Es ist die überdrehte, mit reichlich Bitterness durchtränkte und trotzdem zuckersüße Liebesgeschichte zwischen Clarence und Alabama (Patricia Arquette), zwei Antihelden, zwei Verlierer aus dem Dreck und den Schattenwelten der Gesellschaft, die das Schicksal zueinander führt – und aneinander schweißt. Und die Geschichte eines großen, kleinkriminellen Coups, geboren aus Leidenschaft und Verzweiflung, der in einer Gewaltspirale endet und nur zweierlei hinterlässt: Tod und Liebe.

Zuvor war von 3 prägenden Figuren des US-Kinos die Rede, die „True Romance“ ihren Stempel aufdrückten. Neben Scott und Tarantino ist das Hans Zimmer, dessen Soundtrack der rote Faden des Films ist und in unverkennbarer und unvergleichlicher Weise ins Ohr geht: Einer der größten seiner Zunft beweist mit einer seiner frühen Arbeiten sein geniales musikalisches Gespür. Erwähnen könnte man übrigens auch noch einen gewissen Brad Pitt, der in einer kleinen Nebenrolle zu sehen ist. Oder Gary Oldman als ekelhafter Zuhälter: „True Romance“ war vielleicht nicht der erfolgreichste Film der 90er. Und vielleicht auch nicht der allerbeste. Aber einer der prägendsten und coolsten.

von Christian Klosz

„True Romance“ ist derzeit nur auf DVD & BluRay verfügbar.

Unsere neue Reihe “Vor-Bilder” präsentiert filmische Meilensteine und Monumente, “Klassiker”, wie man so schön sagt, die eine herausragende Bedeutung für das Medium hatten und haben, die nicht gestürzt werden sollten, sondern viel eher wiederentdeckt und vor den Vorhang geholt.

#1: “Charade” von Stanley Donen, 1963

#2: “Heat” von Michael Mann, 1995

#3: “Meatballs” von Ivan Reitman, 1979

#4: “The Good, the Bad and the Ugly” von Sergio Leone, 1966

#5: “Carrie” von Brian de Palma, 1976

#6: “Touch of Evil” von Orson Welles, 1958

#7: “True Romance” von Tony Scott, 1993

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