Der erste Film aus dem Marvel Cinematic Universe, kurz MCU, seit über zwei Jahren flackert mit einiger Verspätung über die Leinwände der Kinos. Zumindest in denen, die es sich leisten können, denn bis zu fünfzig Prozent des Kartenpreises gehen direkt an Disney und hat einige Kinos dazu verleitet auf den Film zu verzichten. Alternativ gibt es die schwarze Witwe auch auf dem Streaming-Portal Disney+, für einen Aufpreis von 21,99 Euro. Man merkt: Black Widow ist zuallererst ein Produkt und existiert, um Geld zu machen.

von Marius Ochs

Diese Grundvoraussetzung hilft zu verstehen, warum im Ansatz vielversprechende MCU-Filme wie „Black Widow“ sich regelmäßig so stark selbst sabotieren. Denn der Film fängt eigentlich gut an. Die emotionale Verfolgungsjagd zu Beginn ist weit weg vom normalerweise leichten und spaßigen Marvel-Ton, und auch das restliche erste Drittel des Films ist kleiner und persönlicher, als man das vom MCU gewohnt ist – und dadurch erfrischend. Die Kampfszenen haben trotzdem ordentlich Wumms und auch der teilweise böse Humor sitzt.

Das liegt zu großen Teilen an Florence Pugh (Little Women, Midsommar), die in ihrem ersten MCU-Auftritt inklusive russischem Akzent allen die Show stiehlt. Selbst David Harbour (Stranger Things, No Sudden Move), der das sowjetische Pendant zu Captain America, den „Red Guardian“, spielt und Karl Marx auf seinen Fingerknöcheln tätowiert hat, verblasst neben ihr. Das spricht Bände über den Cast, der die größte Stärke des Films ist. Auch Scarlett Johansson (Jojo Rabbit, Lost in Translation) und Rachel Weisz (The Lobster, The Favourite) glänzen in ihren Rollen als emotional manipulierte und gebrochene, aber starke und kämpferische Frauen.

Regisseurin Cate Shortland war sich dieser Stärke offensichtlich bewusst, denn für den größten Teil des zweiten Drittels nehmen Action und Spannung eine Nebenrolle ein, die Darstellerinnen dürfen glänzen. Eine herrlich unangenehme Familienkonstellation beim Abendessen, das emotional auch als Zuschauer komplex und verwirrend ist – das MCU war selten interessanter, ganz ohne Bombast. Dann aber setzt das letzte Drittel zu sehr auf Altbewährtes, also langweiliges. Atemlose Action, schnelle Schnitte und entfremdete Emotionen machen vieles von dem, was Shortland aufgebaut hat, wieder zunichte. Die Geldmaschine verlangt eine spezielle Formel –hier wird das sehr deutlich und hinterlässt einen faden Beigeschmack. Es wäre, mal wieder, mehr drin gewesen. Spaß macht das Finale trotzdem, man muss sich nur auf logikbefreites Spektakel einlassen können.

Ein Punkt muss noch angesprochen werden. „Black Widow“ ist (erst) der zweite MCU-Film mit einem weiblichen Hauptcharakter. Deshalb eine feministische Agenda zu unterstellen, wäre zu weit gedacht, vor allem da die Superheldinnen in ihren engen Kampfanzügen nach wie vor durch gewisse Kameraperspektiven sexualisiert werden – Regisseurin hin oder her. Doch es ist auffällig, dass Männer größtenteils in abstoßenden Nebenrollen auftreten – entweder als gescheiterter Held wie der „Red Guardian“ oder als manipulativer Bösewicht mit Harvey Weinstein-Ähnlichkeiten. Black Widow und Scarlett Johansson, die bisher nur als Sidekick im MCU vorkam, wird so durch ihr eigenes Abenteuer gebührend verabschiedet – sie spielt endlich die Hauptrolle. Doch das Gefühl hält sich: Es hätte einige Jahre früher passieren müssen.

Fazit

Ein grundsolider, wenn auch kein feministischer Blockbuster, der durch seine vergleichsweise persönlicher Geschichte, überrascht und gefällt. Der Cast, allen voran Florence Pugh, zeigen hier überragende Leistungen, durch die der Film erst wirklich Spaß macht und zu den besten Filmen des Franchises gehört. Das Spektakel im letzten Akt hätte „Black Widow“ sich zwar sparen können, verbleibt aber als marginaler Kritikpunkt, ohne insgesamt allzu weit vom Bekannten und Bewährten abzuweichen.

Bewertung

Bewertung: 7 von 10.

(74/100)

Bilder: ©Disney

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