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„Promising young woman“ – Kritik zum Kinostart

Die bildhübsche Cassie ist eine in vielen Belangen vielversprechende, junge Frau. Im Medizinstudium war sie eine der besten, bei den Männern erfreut sie sich großer Beliebtheit und mit 30 Jahren steht sie in der Blüte ihres Lebens. Doch ein Trauma in der Vergangenheit hat ebenjenes Leben faktisch auf links gekrempelt. Das Studium hat sie abgebrochen, das Verhältnis zu den eigenen Eltern ist distanziert, Freunde hat sie im Grunde keine und nachts lässt sich die Blondine gerne volllaufen um auf Männerfang zu gehen, so scheint es zumindest.

von Cliff Brockerhoff

Denn „Promising young woman“ ist keine weitere Geschichte über eine frustrierte Männerhasserin, sondern viel eher ein melancholisch angehauchter Blick in die seelischen Abgründe, in die der Film seine Zuschauerschaft nach und nach hinabstiegen lässt. Irgendwo zwischen Drama, Thriller und einem Hauch tiefschwarzer Komödie erzählt Regisseurin Emerald Fennell – die im Übrigen den wohl weirdesten Cameo-Auftritt ever hinlegt – von Themen wie Reue, Freundschaft, Vergebung und Vergeltung; allesamt porträtiert in farbenfrohen Bildern, die so gar nicht zur inhaltlichen Ausrichtung passen wollen.

Doch abermals trügt der Schein, denn gerade die konstrastreiche Herangehensweise sorgt für reizvolle Reibungspunkte. Wenn Cassandra zu beschwingten Tönen von Britney Spears oder gar Paris Hilton Rache an der Männerwelt nimmt, wirkt das anfangs irritierend, erweist sich aber als Glücksgriff und gekonnt inszeniertes Alleinstellungsmerkmal. Technisch lässt sich „Promising young woman“ dabei nicht lumpen. Kostüme, Make-up, Ausleuchtung, akustische Untermalung, Schauspiel, Drehbuch; das alles harmoniert in der Gesamtbetrachtung sehr gut miteinander und ist, trotz wertiger Umsetzung, keine hochglanzpolierte Produktion ohne Kanten, wie man sie zu oft zu sehen bekommt.

Das stünde dem Werk auch nicht gut zu Gesicht, vor allem weil die Geschichte mitunter in eine sehr fiese, dreckige Richtung ausschlägt. Die verhandelten Motive sind tendenziell tragisch, traurig und legen sich mit fortlaufender Spielzeit immer mehr auf das Gemüt. Wo anfangs noch geschmunzelt wird und man sich damit anfreundet einem verführerischen Vamp bei der Männerjagd beizuwohnen, offenbart sich immer mehr eine inhaltliche Tiefe, die für einen Klos im Hals sorgt. Vieles davon ist nicht nur rein filmisch relevant, sondern auch voll von dezent anklingender Sozialkritik. Zugegeben, das Bild vom chauvinistischen Alphamännchen ohne Skrupel wirkt in einigen Momenten überspitzt und wenig differenziert, doch auch hier setzt der Film den Hebel an und fokussiert sich nicht alleine darauf. Auch Themen wie die allgemeine Erwartungshaltung an Frauen oder die geschlechterspezifische Rollenverteilung bekommen Raum zur Entfaltung, wodurch die fast zwei Stunden wie im Flug vergehen.

Doch das Regiedebut der Londonerin Fennell hat durchaus auch Schwächen, die nicht unerwähnt bleiben sollen. Zum einen hat das Erzähltempo gerade anfangs einige Wackler und erschwert den Einstieg. Das Problem erledigt sich dann im zweiten Drittel von alleine, hier schlittert der Thriller aber auch schon in den nächsten Makel. Wer auf die Details achtet und die bis dato eingeführten Charaktere aufmerksam verfolgt, weiß relativ schnell wohin die Reise am Ende gehen soll. Große Überraschungen bleiben lange aus und mindern zeitweise den Unterhaltungswert. Hier wirkt dann aber glücklicherweise der persönliche Schwermut dagegen, eindrucksvoll verkörpert von Hauptdarstellerin Carey Mulligan, die ihre innere Zerrissenheit gekonnt nach außen trägt. Ihre Vendetta voyeuristisch zu beobachten bereitet Freude, ist zugleich aber auch schmerzvoll, da sie sich nah und authentisch an der Realität bewegt. Durch die immer wiederkehrende Ambivalenz vermeidet der Film zudem gekonnt zu sehr in die männerverachtende Richtung gedrängt zu werden, da Cassie durchaus nach innerem Seelenfrieden strebt, sich aber eindeutig auch selbst im Weg steht.

Fazit

„Promising young woman“ ist ein in vielen Belangen vielversprechender Film mit einer grandios aufspielenden Carey Mulligan, einem fantastisch ausgewählten Soundtrack und einer intensiven Geschichte, deren Verlauf sich jedoch hinter der verschmierten Fassade zu schnell erahnen lässt. Mehr Harley Quinn als John Wick, thematisch vielschichtig, vielleicht phasenweise ein bisschen zu drüber, durch das perfekte Ende letztlich aber auch ein richtiger Schlag in Fresse. Gerne mehr davon, Frau Fennell. Ab dem 19. August im Kino!

Bewertung

Bewertung: 8 von 10.

(76/100)

Bilder: ©Focus Features

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