Träume sind unzweifelhaft faszinierend. Sie versüßen den Alltag, verwehren den ruhigen Schlaf und dienen als willkommene Flucht aus der Realität. Dem allgemeinen Sprachgebrauch nach sind sie streng positiv: „von etwas träumen“ ist verknüpft mit Zielen, Wünschen und Dingen, die erstrebenswert sind. Doch die Wahrheit ist eine andere. Die sich im Bewusstsein abspielenden Szenen sind oft von Grauen geprägt und lassen uns erschaudern.
von Cliff Brockerhoff
Das Gute daran ist, dass wir uns nach dem Aufwachen in den meisten Fällen nur noch sehr kurz oder lückenhaft an das erinnern, was uns unser Gehirn in den letzten Stunden vor dem geistigen Auge visualisiert hat. Doch was würde passieren wenn dem nicht so wäre? Wie würden wir reagieren wenn uns jemand unvermittelt mit unseren Träumen konfrontiert? Dieser Frage widmet sich der Kanadier Anthony Scott Burns in „Strange Dreams” (Originaltitel: Come True), seinem zweiten Langspielfilm.

Zentrale Figur innerhalb der Geschichte ist die junge Sarah, die von Albträumen geplagt nachts oft Reißaus nimmt und sich, anstelle von ihrem Bett, an den ungewöhnlichsten Schlafplätzen wiederfindet. Der Ruhe ist die Nacht unter freiem Himmel zuträglich, wirklich erholsam ist die Zeit dennoch nicht. Als Sarah eines Tages zufällig die Ausschreibung eines Schlaflabors entdeckt, scheint das Schicksal ihr etwas Gutes zu tun. Nicht nur, dass Sarah Geld für die Untersuchungen bekommt – die wissenschaftliche Untersuchung eröffnet zudem die Möglichkeit ihr Problem fachmännisch zu untersuchen und bestenfalls langfristig zu beheben.
Das Grundgerüst von „Strange Dreams“ lässt also auf einen seichten Thriller mit eventuellem Science-Fiction Einschlag schließen, und anfangs passt diese Beschreibung tatsächlich ganz gut. Schnell wird aber auch klar, dass im Schlaflabor eigenartige Dinge vorgehen. Das Verfahren der Untersuchung wirkt seltsam, und spätestens als der Betrachter zum ersten Mal vor Augen geführt bekommt wovon Sarah Nacht für Nacht träumt, verfliegen auch die letzten Hoffnungen auf eine konventionelle Auflösung. Tagsüber ist das Werk mit statischen Aufnahmen bebildert, wobei minimale Kamerabewegungen für klaustrophobische Enge sorgen. Sobald jedoch der Wechsel zu den Traumsequenzen stattfindet, vermitteln die Bilder ein Gefühl der Grenzenlosigkeit. Die porträtierten Szenerien verbleiben abstrahiert, erzeugen aber dank eindringlichem Score immer wieder nachhaltige Gänsehaut. Um es konkret zu benennen: einige Sequenzen sind so gruselig, das sie ein Gros der neueren Horrorfilme in den Schatten stellen.
Dabei sind Grusel oder gar Schock nicht einmal die intendierten Hauptmotive. Vielmehr zielt der Film auf den Kontrast zwischen nicht greifbarer Abstraktion und der gleichzeitigen Nachvollziehbarkeit ab. Denn auch wenn vieles auf den ersten Blick wenig Sinn ergibt und sehr kryptisch wirkt – die visualisierten Gefühle kennt womöglich jeder. Das Gefühl nicht aus einem Albtraum erwachen zu können, die Übertragung der Angst auf den Wachzustand oder schlicht die flackernde Erinnerung an das Unheil, das uns in unseren Träumen begleitet hat. Diese Ängste macht sich der Film zu eigen, lässt uns mit der grandios aufspielenden Protagonistin mitleiden und triggert Emotionen, die nicht gerne empfunden werden. Allesamt ummantelt von düsteren Ambient Klängen und ausgeblichenen Bildern, die die Story traumwandlerisch sicher in das rechte Licht rücken. Atmosphärisch lässt sich dem Werk nichts vorwerfen und fast wirkt es so als steuere es auf die Höchstnote zu, doch dann kommt das Ende. Ohne dies an dieser Stelle vorwegnehmen zu wollen; die Auflösung wirkt beinahe ein wenig lustlos und so als wäre ein homogener Ausweg zu steinig gewesen. Nicht, dass der Schlussakkord im Kontext keinen Sinn ergeben würde, aber angesichts der kreativen Ausmaße im Vorfeld lässt der Schluss jenen Mut vermissen und wählt eine eher genretypische Erklärung. Schade, aber letztlich auch nur ein Aspekt von vielen.

Fazit
Burns’ “Strange Dreams” ist ein wahnwitziger Trip durch die Genres, ein wahrgewordener Fiebertraum und nicht zuletzt eine beeindruckend beklemmende Lektion in Sachen Atmosphäre. Mit simplen Mitteln entfaltet das Werk ein immersive Wirkung und entlässt seine Zuschauerschaft erst mit der allerletzten Einstellung – wird den ein oder anderen aber ohne Zweifel darüber hinaus verfolgen. Ab dem 23. September als Mediabook, BluRay und DVD erhältlich!
Bewertung
(82/100)
Bilder: ©Koch Films
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