Es gibt Filmenden, die brennen sich für immer in das Gedächtnis. Als John Kramer, besser bekannt als Jigsaw, anno 2004 im Schlussakkord von „SAW“ vom blutbedeckten Fliesenboden erwachte, ließ dies die Kinnlade der Zuschauerschaft weiter nach unten klappen als es die legendäre Bärenfallen-Apparatur je geschafft hätte. Ein millionenschweres Franchise war geboren. Zur Wahrheit gehört leider aber auch, dass die SAW-Reihe mit jedem weiteren Teil qualitative Einbußen offenbarte. Diesen Umstand möchte ein Mann nun ändern: Chris Rock.

von Cliff Brockerhoff

Der US-Amerikaner ist laut eigenen Angaben selbst großer Fan der Filme und konnte das Filmstudio dem Vernehmen nach prompt mit seiner „visionären Idee“ begeistern, entstammt allerdings persönlich einem völlig anderen Genre. Ein krasser Kontrast also, der von Anfang an Skepsis in der Filmgemeinde aufkommen ließ. Kann der Comedian die Filmreihe revitalisieren und hungrigen Fans endlich wieder schmackhaft saftige Horrorkost servieren? Leider lässt sich diese Frage nur mit einem relativ deutlichen „Nein“ beantworten.

Dabei lagen die Stärken der Filmreihe eigentlich schon immer in der kontrastreichen Vermengung zweier Dinge, die sich eigentlich ausschließen. Auf der einen Seite standen die extrem brutalen und grausamen Folterinstrumente, mit deren Hilfe John Kramer seine Probanden auf die lebensbedrohliche Probe stellte. Dem gegenüber saß ein gebrochener Mann, der sein persönliches Schicksal kreativ verarbeitete und so nicht selten auch zum Sympathieträger avancieren konnte. Mitfiebern mit einem Serienmörder? Ein seltenes Spektakel, das „SAW“ zumindest anfangs perfektionierte. Im neuen Teil der Reihe gibt es keinen echten Jigsaw mehr, stattdessen versuchen die Macher einen neuen Aspekt zu etablieren. Obwohl, wirklich neu ist auch diese Facette nicht, denn Korruption, Verrat und Loyalität waren ihrerseits auch schon behandelte Themen im späteren Verlauf der Reihe. Die Divergenz von nicht klar definiertem Gut und Böse findet auch im neunten Teil Anwendung, ihr mangelt es jedoch deutlich an Ecken und Kanten.

Die Hauptfigur im Treiben wird, es ist wenig überraschend, von Chris Rock selbst porträtiert. Er spielt den coolen Cop Ezekiel „Zeke“ Banks, der viele Jahre nach dem Ableben von Kramer mit ähnlichen Geschehnissen konfrontiert wird. Zufälligerweise ist Zeke auch noch der Sohn eines alternden (Ex-)Detectives , die Parallelen zu Detective David Tapp aus dem ersten Teil sind unverkennbar, und kurze Zeit spielte das Filmteam sogar mit der Idee einer direkten, familiären Verbindung. Der Versuch eine Reminiszenz zum Ursprungsmaterial einzubauen schlägt allerdings auch so komplett fehl, denn weder Rock, noch der diesmal besetzte Samuel L. Jackson können schauspielerisch überzeugen. Schlimmer noch: Rock mimt den harten Polizisten, der sich trotz persönlicher Involvierung nur selten einen blöden Spruch verkneifen kann, so dermaßen überspitzt, dass es schmerzt. Bei geschlossenen Augen wirken seine Dialoge wie Snoop Doggs Versuch nach drei Lines einen Songtext zu verfassen. Hätte Rock sich nicht quasi selber besetzt, er wäre höchstwahrscheinlich zum Komparsen ohne Text degradiert worden. Hier liegt die deutsche Synchronisation tatsächlich eine Sägeblattumdrehung vorne, da sie das überdrehte Schauspiel dezent kompensiert.

Einziger Lichtblick ist der ihm zur Seite gestellte William Schenk, verkörpert von Max Minghella (The Handmaid’s Tale). Nicht, dass dieser mit oscarverdächtigem Schauspiel für emotionale Jubelstürme sorgen könnte, doch sein dezentes Acting sticht die unfreiwillig komische Leistung von Rock allemal aus. Bezeichnenderweise ist „SAW: Spiral“ immer dann am besten wenn wenig Dialog zu vernehmen ist. Wenn die neuerlich fiesen Folterpraktiken beleuchtet werden, Blut im hektischen Schnittgewitter die Kameralinse bedeckt und man sich an die Zeit erinnert fühlt, zu der das Franchise noch frisch wirkte. Hier macht sich bemerkbar, dass man mit Darren Lynn Bousman jemanden für den Regiestuhl gewinnen konnte, der Erfahrung mit der Reihe hat. Auch er kann das einfallslos wirkende Drehbuch samt seiner repetitiven Schockmomente und dem erwartbaren Twist aber nur bedingt retten, sodass sich letztlich die Frage aufdrängt mit welcher Vision Chris Rock damals das Filmstudio so nachhaltig beeindrucken konnte. Im Film ist davon leider nichts zu erkennen.

Fazit

Es ist schon ironisch – innerhalb des Films wird ständig über einen Nachahmer des John Kramer spekuliert, und letztlich ist „SAW: Spiral“ selbst nicht mehr als das geworden: eine seelenlose Imitation des Originals ohne frische Ideen. Technisch ansehnlich, allerdings ebenso vorhersehbar und mit seiner versuchten Kritik an der amerikanischen Exekutive gnadenlos überfordert. Ein paar nostalgisch verklärte Pünktchen entlockt das Werk der Cashcow, das Franchise als solches sollte hiermit aber endgültig seine letzte Ruhe finden. Bitte Herr Rock, lassen Sie weitere Puzzleteile im Karton! Ab dem 16. September im Kino.

Bewertung

Bewertung: 4 von 10.

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Bilder: ©Studiocanal