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„Dune“: Filmanalyse zum Kinostart

„Dune“ zu bewerten ist nicht leicht. Zuerst stellt sich die Frage nach der Skala. Misst man ihn an dem unfassbaren Hype, der den Film schon vorab zum Messias des Mainstreamkinos machte? Oder sollte man lieber den Vergleich zur ersten Verfilmung von David Lynch ziehen, die für viele, auch Lynch selbst, als einer der schlechtesten Filme überhaupt gilt? Auch die Buchvorlage bietet sich natürlich an. Frank Herberts literarische Vorlage ist sicherlich der Maßstab, den die Leserinnen und Leser des Buches zumindest unbewusst an den Film anlegen werden.

von Marius Ochs

Das Buch

Fangen wir deshalb also beim Buch an. „Dune“ erschien 1965 in den USA und war der Ausgangspunkt für einen Romanzyklus, der eine Geschichte über Jahrtausende erzählt. „Dune“ war der Beginn von etwas Großem.

Dennoch, der erste Teil der Reihe kann auch für sich stehen. Die Handlung ist in ihren Details aber zu komplex, um sie an dieser Stelle umfassend nachzuerzählen. Grob gesagt geht es um ein Adelshaus, das im Jahre 10190 von einem galaktischen Imperator auf den Wüstenplaneten Arrakis – Dune – versetzt wird, um dort die Produktion des wichtigsten Rohstoffs der Galaxis sicherzustellen. Dieses politische Manöver ist jedoch nur eine Intrige, die zum Krieg führt. Es spielen unter anderem noch Langzeitgeburtenplanungen eines Ordens aus Weltraumhexen, Prophezeiungen von kolonisierten Völkern und gigantische Sandwürmer eine Rolle.

All das wurde mit kleinen, aber nachvollziehbaren Änderungen von Regisseur Denis Villeneuve für die Leinwand umgesetzt. Der Film ist dabei logischerweise weniger detail- und umfangreich als das Buch. Das sagt jedoch weitaus mehr über die Komplexität des Buches aus, denn durch die Adelshäuser, Orden, Planeten und Namen muss man auch jetzt noch beim Film hellwach bleiben, um der Handlung folgen zu können.

In deren Mittelpunkt steht Paul (Timothee Chalamet), ein junger Prinz, der möglicherweise der Erlöser aus den Prophezeiungen der auf Dune-ansässigen Fremen ist. In Herberts Buch führt diese Konstellation zu einer thematischen Dichte, die einerseits zeitlos ist, andererseits aber erstaunlich aktuell und anschlussfähig klingt.

Durch die Beziehung des Adligen Paul zu den Fremen wurden von Herbert postkoloniale Gedanken aufgegriffen. Die politische Macht des Frauenordens der Bene Gesserit spielt im Buch und auch im Film eine wichtige Rolle, was in vielen Kritiken bereits als feministisches Statement gedeutet wird. Subversive Reflexion über white savior-Geschichten und religiöse Vorahnungen auf die Gewalt, die durch den unbedingten und fanatischen Glauben an einen Messias ausgelöst werden kann, machen Herberts Roman so spannend und vielschichtig.

Villeneuve macht im Umgang mit dieser thematischen Dichte vieles richtig. „Dune“ macht sich keines dieser Themen zu eigen und bietet keine einfache Deutung seiner Ereignisse. Der Regisseur erkennt die Möglichkeiten des Sci-Fi-Genres, sich mit Themen auf einer grundlegenden Ebene zu befassen, ohne dabei aktiv in Diskurse eingreifen oder sich referentiell auf anderes beziehen zu müssen. Doch darin liegt auch eine verpasste Chance. Im Film werden zwar all diese Themen und noch viele mehr angeschnitten. Aber durch die schiere Dimension der Handlung und der mit 155 Minuten zwar langen, aber bei weitem nicht ausreichenden Laufzeit des Films verpasst „Dune“ zu jeder Zeit die philosophische Vielschichtigkeit des Buches. Hier zeigen sich die Tücken des Blockbuster-Kinos.

Im Vergleich zum Buch kann man also sagen: Der Film ist eine würdige Umsetzung des Materials, mit großer Treue zu wichtigen Details. Gleichzeitig werden durch die nötige Reduktion der Komplexität jedoch viele Themen verwässert, die im Buch differenziert beleuchtet werden. Die vielzitierte Unverfilmbarkeit „Dunes“ zeigt sich bei diesem Aspekt auch bei Villeneuves Vision.

David Lynchs „Dune“ (1984)

Vergleicht man den Film jedoch mit seinem filmischen Vorgänger, David Lynchs „Dune“ von 1984, dann müsste man an dieser Stelle eigentlich mit jeglicher Kritik aufhören, den Mund weit aufreißen und dem aktuellen Film huldigen, wie dem Mainstream-Messias, der versprochen wurde. In jedem Vergleich erscheint Villeneuves Film tatsächlich als bestmögliche Umsetzung des Stoffes.

Wo Lynchs Effekte peinlich sind, ist bei Villeneuve die technische Brillanz Ehrfurcht erweckend. Selbst wenn man nichts von der Handlung versteht, lohnt sich der Kinobesuch für die epischen Bilder und Sets. Die Leinwand kann für diesen Film nicht groß genug sein. Eine Mischung aus echten Sets und dem besten CGI, das die Branche zu bieten hat, setzt neue Maßstäbe für das Sci-Fi-Genre und das Blockbuster-Kino generell.

Wo Lynchs Handlung unverständlich und wirr ist, kann man Villeneuve erstaunlich gut folgen. Die bereits angesprochene Komplexitätsreduktion im Vergleich zum Buch hat zwar zur Folge, dass einige Themen weniger ausführlich behandelt werden. Aber dafür lässt sich der Frankokanadier Villeneuve genug Zeit, um eine bedeutungsvolle Stimmung zu kreieren und einen Rhythmus zu etablieren, der dem Film ein mythisches Gewicht verleiht.

Diese Aufzählung könnte man endlos fortführen. Wenn man sich anschaut, wie grandios selbst andere renommierte Filmemacher an der Adaption scheiterten, hätte der Film ohne Frage die Höchstwertung verdient.

Der Hype

Glaubt man dem Hype, der dem Film vorausgegangen ist und der ihn auch jetzt noch trägt, wäre die Höchstwertung von vorneherein auch die einzig gerechtfertigte Bewertung. Viel mehr noch, die filmpluskritik-Skala müsste für den Film erweitert werden, 105 oder sogar 110 Punkte sollten drin sein.

Dieser Hype entstand einerseits aufgrund des Kultcharakters der Vorlagen von Herbert und auch der von Lynch. Andererseits ist auch Villeneuve nicht unschuldig daran. Mit „Arrival“ zeigte er nämlich, dass er anspruchsvolle und durchdachte Sci-Fi fast ohne Action inszenieren kann. Und mit „Blade Runner 2049“ machte er eindrucksvoll klar, dass er mit hohen Erwartungen, einem gewaltigen Erbe und einer philosophischen Geschichte unaufgeregt umgehen kann. Villeneuve ist seitdem in Hollywood der Name für gute Sci-Fi-Geschichten auf Blockbuster-Level.

Und tatsächlich: Mit „Dune“ gelingt ihm das scheinbar Unmögliche. Er schafft den Spagat zwischen inhaltlichem Anspruch und ästhetischer Massentauglichkeit und erfüllt so unerfüllbare Erwartungen. Ihm gelingt der größte Blockbuster seit Jahren, ohne dabei seine eigene Handschrift zu verlieren, auch wenn die vielen aus Comicverfilmungen bekannten Darsteller sowie der ein oder andere nicht zur Stimmung passende Witz doch auch Erinnerungen an den restlichen seichten Blockbuster-Markt rund um das Marvel Cinematic Universe aufkommen lassen.

Fazit:

„Dune“ ist das Kinoereignis des Jahres. Der Film hält, was er versprach. Epische Bilder, gigantische Sets und große Gesten verleihen Villeneuves Vision die erhabene Aura, die einem mythischen Stoff wie diesem angemessen scheint. Man sollte sich den Film auf der größten Leinwand anschauen, die man finden kann. Vor allem im Vergleich zum Buch muss „Dune“ zwar thematische Zugeständnisse an die massentaugliche Ästhetik und Länge des Hollywood-Films machen. Ein zweiter Teil, der hoffentlich gedreht wird, kann aber hier hoffentlich noch nachbessern, dann gibt es vielleicht die Höchstwertung.

Bewertung:

Bewertung: 9 von 10.

(91/100)

Bilder: (c) Warner Bros Pictures

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