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„Schachnovelle“: Kritik zum Kinostart

Die „Schnachnovelle“, eines der bekanntesten Werke Stefan Zweigs, wird in der Inszenierung von Philipp Stölzl zum Blockbuster mit Psychothriller-Anstrich: Oliver Masucci spielt darin Dr. Bartok, der während seiner Isolationshaft durch die Nationalsozialisten dem Wahnsinn zu verfallen droht. Als es ihm in einem unbemerkten Moment gelingt ein Schachbuch zu stehlen, wird das Lernen von Schachpartien für ihn zur einzigen Beschäftigung für Monate. Aber handelt es sich dabei tatsächlich um seine Rettung vor der Reizarmut – oder droht sich die Persönlichkeit Bartoks in Weiß und Schwarz zu spalten?

von Paul Kunz

Während die Handlung der literarischen Vorlage in ihren wesentlichen Zügen auch in dieser neuen Adaption erhalten bleibt, so scheut das Drehbuch von Eldar Grigorian aber auch nicht davor zurück neue Wege zu beschreiten. Die in der Novelle als Rahmenhandlung fungierende Passagierfahrt an Bord eines Überseedampfers wurde etwa um die Figur von Bartoks Frau Anna Bartok (Birgit Minichmayr) ergänzt und zur vollwertigen Nebenhandlung ausgebaut, in der die Grenzen zwischen Wahn und Realität mitunter zu verschwimmen drohen. Bartoks Isolationshaft dagegen wird zum mentalen Kräftemessen zwischen Bartok und dem unterkühlt-intellektuellen Gestapo-Hauptmann Franz-Josef Böhm (Albrecht Schuch).

Das zentrale Anliegen der Neuverfilmung ist die möglichst eingehende Darstellung eines Mannes, dessen Psyche langsam zerfällt. Und Oliver Masucci spielt die Wandlung Bartoks ganz hervorragend: Vom überheblichen Wiener Privilegierten über den von Nazis gefolterten Gefangenen bis hin zum letztlich gebrochenen Mann ist Masuccis Spiel stets glaubhaft und darüber hinaus von einer vereinnahmenden Intensität geprägt. Albrecht Schuchs spielt den Nazi mit der Lust an der psychischen Folter zwar ebenfalls motiviert, doch die Figurenzeichnung ist letztlich zu klischeebeladen, um wirklich in Erinnerung zu bleiben.

Wie auch Bartok die Realität mehr und mehr zu entgleiten scheint, lässt die „Schachnovelle“ zum Teil auch das Publikum im Unklaren darüber, bei welchen Ereignissen es sich um Realität handelt und welche sich nur im Kopf des Protagonisten ereigneten. Damit sucht diese Adaption einen durchaus eigenständigen Zugang zur Vorlage. Es ist eine Idee, die der Film jedoch nicht konsequent genug durchzieht, um wirklich interessant zu sein. Womöglich fehlte der Wille zur weiteren Loslösung von der Vorlage oder aber es bestand die Furcht ein breites Publikum mit einem potenziell verwirrenden Plot zu verärgern. Doch der angestrebte psychologische Tiefgang wird folglich nie erreicht und der eigentlich als mitreißender Psychothriller im großen Stil angelegte Film bleibt hinter seinem Potenzial für Suspense und Drama zurück. Die spannenden Ansätze, die der Neuverfilmung ein mutiges Alleinstellungsmerkmal verpassen, bleiben bedauernswerterweise nur Ansätze.

Aber wenngleich der Film an inhaltlicher Tiefe vermissen lässt, so gibt es zumindest was Schauwerte betrifft keinen Grund zum Klagen, denn hier setzt die „Schachnovelle“ auf eine überaus souverän umgesetzte Blockbusteroptik. Beeindruckend ist die äußerst üppige Ausstattung: Vom prunkvollen Wiener Ball über den Nazi-Aufmarsch zum feinen Abendessen auf dem Passagierdampfer herrscht im Set- und Kostümdepartment die Opulenz. Die Kamera von Thomas W. Kiennast fängt das Spektakel geschmackvoll ein und sorgt für atmosphärisch düstere Bilder, egal ob draußen im Wien von 1938 oder drinnen im kargen Hotelzimmer, in dem Bartok gefangen gehalten wird.

Fazit

In der Neuverfilmung von Philipp Stölzl ist die „Schachnovelle“ ein prächtig ausgestatteter Blockbuster, der Elemente des Psychothrillers in die literarische Vorlage einzubinden versucht, aber dabei auf halber Strecke stehen geblieben ist. Damit bleibt der Film eine passable, weil durchaus spannende Adaption der Zweig-Novelle mit einem bemerkenswerten Masucci, lässt aber an inhaltlicher Tiefe vermissen. Ab 24.9. im Kino.

Bewertung

Bewertung: 5 von 10.

(54 von 100)

Bilder: © 2021 Studiocanal / Walker + Worm Film / Julia Terjung

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