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“Cry Macho” – Kritik

Man kann einen Text über einen neuen Eastwood-Film schwerlich beginnen, ohne auf das Alter der Regie-Ikone zu verweisen: 91. So alt ist Clint Eastwood heute. Das hindert ihn nicht daran, Jahr für Jahr zumindest einen neuen Film aus dem Ärmel zu schütteln, von denen nicht wenige gut bis sehenswert sind. Zuletzt waren das “The Mule” und “Der Fall Richard Jewell”, seit Ende letzter Woche ist sein neuestes Werk “Cry Macho” in ausgewählten Kinos zu sehen.

von Christian Klosz

Kurz zur Story: Die Handlung spielt 1978. Eastwood verkörpert den ehemaligen Rodeo-Star Mike Milo, der sich nach einer Rückenverletzung zurückziehen musste und als “Cowboy” auf diversen Farmen in Texas verdingte. Sein ehemaliger Chef Howard Polk (Dwight Yoakam) hat einen letzten Auftrag für Mike, der damit eine alte “Schuld” begleichen soll, denn Polk war es, der ihm nach dem Tod seiner Frau eine zweite Chance gegeben hatte: Er soll dessen inzwischen 13-jährigen Sohn aus Mexiko über die Grenze bringen, der dort bei seiner Mutter lebt. Widerwillig stimmt Mike zu und macht sich mit dem Auto auf den Weg. Als er schließlich Rafael (Eduardo Minett) findet, trifft er auf einen wilden, ungestümen Jungen, der dem Leben bei seiner Mutter zu entfliehen versucht und sich unter lokalen Gangs und bei Hahnenkämpfen herumtreibt. Milo kann Rafo schließlich überzeugen, sich mit ihm auf den Weg Richtung Texas zu machen, und zwischen ihnen entwickelt sich eine Freundschaft, die beiden lange nicht gekannte schöne Momente beschert.

“Cry Macho” ist schon allein deshalb aus der Zeit gefallen, da er von Freundschaft und Zusammenhalt erzählt, von (Ersatz-)Familien und (Kurzzeit-)Gefährten, vom Finden und Bewahren von Menschlichkeit, gerade in schwierigen Zeiten, einfach: Von kleinen Momenten des Glücks, die es auf dieser Erde gibt. Allein das macht den Film sehenswert, der etwas schafft, das aktuell nicht viele Filme schaffen: Einen mit Hoffnung und einem guten Gefühl aus dem Kinositz zu entlassen.

Natürlich, die Story dahinter gibt wenig her, und Eduardo Minett, der Rafael spielt, kann nicht schauspielern, doch das ändert nichts an der Wärme, die “Cry Macho” ausstrahlt und an den nicht wenigen berührenden Szenen, die Natur, Tier, Mensch einfangen. Man muss auch über Maestro Eastwood selbst sprechen, der eigentlich schon vor Jahren nicht mehr vor der Kamera stehen wollte – und es doch immer wieder tat. Während er vor 3 Jahren in “The Mule” noch als rüstiger Senior durchging, dem das Alter wenig anhaben kann, macht man sich hier in jeder Einstellung, in der er gehen oder stehen muss Sorgen um seine Gesundheit. Abgemagert, zerbrechlich wirkt der Körper – kein Wunder bei einem 91-Jährigen – aber selten hat man auf der Leinwand gesehen, wie eine Figur (und ihr Darsteller) sich derart gegen die Kräfte der Natur stemmt. Eastwood schleppt sich von Szene zu Szene wie eine taumelnde Westerngestalt, die angeschossen wurde, aber noch nicht fällt: Es mag das letzte Aufbäumen eines großen amerikanischen Schauspielers sein, der mit Würde abtreten will, bevor der letzte Vorhang fällt. Bei aller bemerkenswert offen und schonungslos dargestellten, körperlichen Gebrechlichkeit darf nicht unerwähnt bleiben, dass Eastwood geistig hellwach und mit enormer Präsenz agiert, auch seine Stimme kraftvoll wirkt: Ein intakter Geist wehrt sich gegen den unvermeidlichen körperlichen Verfall und das Alter, “Cry Macho” ist auch ein Dokument dessen.

Fazit:

Das finale Abschiedswerk eines der ganz großen amerikanischen Filmemacher? Man weiß es nicht, zumindest kann man sich nach diesem Auftritt schwer vorstellen, dass Clint Eastwood noch einmal als Darsteller die Filmbühne betritt. Als Regisseur wird er wohl weiterhin aktiv bleiben, solange es geht, und das ist gut so. Denn auch wenn man das alles bereits mehrfach und mitunter besser gesehen hat: “Cry Macho” illustriert ein weiteres Mal die Vorzüge und herausregenden Talente eines ökonomischen Erzählers, der das Große im Kleinen findet und einfach schöne Geschichten vermitteln kann, die Hoffnung und Freude bereiten. Manche mögen das altmodisch finden, der Autor dieser Zeilen sieht darin das, was Film und Kino (neben anderem) eigentlich tun sollte.

Bewertung:

Bewertung: 7 von 10.

(74/100)

Bilder: (c) Warner Bros.

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