Klotzen statt kleckern. So lässt sich die Devise von Netflix wohl am trefflichsten zusammenfassen. Anfang des Jahres kündigte der Streamingriese einen kompletten Jahresfahrplan mit allerhand neuen Filmen an, die nur so vor Stars überquellen. Besonders „Red Notice“ dürfe den meisten dabei in Erinnerung geblieben sein, dessen Kosten, je nach Quelle, irgendwo zwischen 160 und 200 Millionen Dollar pendeln, und somit so oder so dazu führen, dass es sich um den teuersten Netflix-Film aller Zeiten handelt.

von Cliff Brockerhoff

Ein eklatanter Faktor ist dabei vor allem der namhafte Cast des Films. Neben „Wonder Woman“ Gal Gadot finden sich auch Dwayne „The Rock“ Johnson und „Deadpool“ Ryan Reynolds in der Liste der handelnden Akteure wieder, allesamt fürstlich mit 20 Millionen Dollar entlohnt – pro Kopf versteht sich. Die Namen versprechen Glanz und Glorie, doch schon der erste Trailer offenbarte ein großes Problem: „Red Notice“ ist mehr Schein als Sein und leidet scheinbar vor allem darunter, dass die aufgeführten Charaktere eher in einem Mashup, als in einem Spielfilm gelandet sind.

Ein Verdacht, der sich schnell bewahrheitet. Wüsste man nicht, dass es sich faktisch um einen neuen Film handelt, könnte man bei geschlossenen Augen vermuten, dass Deadpool nebst The Rock gegen die bewaffnete Amazone kämpft. Reynolds schmeißt mit Sprüchen unkontrolliert um sich, sein muskulöser Kumpel schlurft gewohnt stoisch und mit gleichbleibendem Gesichtsausdruck durch die Szenerie und Gal Gadot, nun ja, ist eben die wunderschöne Gal Gadot, die in jeder Szene die komplette Aufmerksamkeit auf sich zieht. Die Handlung ist dabei ebenso simpel wie vorhersehbar: Reynolds mimt einen durchaus erfolgreichen Kunstdieb, der im Zuge einer Mission an FBI Agent John Hartley gerät, weil er von der noch erfolgreicheren Kunstdiebin, gespielt von Gadot, verraten wird. Doch was sich neckt, das liebt sich – und so entwickelt sich eine total unerwartete Buddy-Komödie, im Zuge dessen die einst so hartnäckigen Gegenspieler zu besten Freunden mutieren. Herzallerliebst.

Dass „Red Notice“ dabei nicht als Vollkatastrophe endet, liegt besonders an zwei Dingen: einerseits sorgt das üppige Budget natürlich dafür, dass wir uns optisch hochwertigen Bildern und computergenerierten Kulissen gegenüber sehen. Gefühlt wechselt die Handlung alle fünf Minuten den Schauplatz, führt durch die engen Gassen Roms über ein eiskaltes Gefängnis in Russland bis hin zum feurigen Stierkampf in Valencia. So erinnert „Red Notice“ nicht selten an einen James-Bond-Verschnitt, exklusive coolem Doppelagenten. Aufgefangen wird all diese Mittelmäßigkeit dann auf der anderen Seite von dem unbestreitbaren Charisma der Protagonisten. Man kann der austauschbaren Handlung ohne Risiko sicherlich viel vorwerfen, aber Reynolds und Co. beherrschen ihr Handwerk und sorgen so zumindest ab und an für unterhaltsame Momente. Der einzig wirklich witzige Moment ist dann am Ende bezeichnenderweise jemand anderem vorbehalten, allerdings völlig losgelöst von der Story und in einer Phase, in der man die Hoffnung auf Besserung längst an den Nagel gehängt hat.

So schleppt sich die überteuerte Mischung aus Agenten-Thriller und Familien-Abenteuer durch die viel zu aufufernde Laufzeit, die locker um ein Viertel hätte gekürzt werden können. Besonders ärgerlich ist dabei die blanke Ideenlosigkeit, mit der Regisseur Rawson Marshall Thurber sein Werk inszeniert. Halbgare Anspielungen und popkulturell akkurate Seitenhiebe in allen Ehren, aber spätestens als der Zuschauerschaft abermals die bösen Nazis als ultimative Antagonisten vor die Nase gesetzt bekommt, verflüssigt sich jede Form der Kreativität und fließt zurück in den sicheren Teich der Belanglosigkeit. Vermutlich ist es dem hohen Produktionsvolumen geschuldet, dass keine allzu großen Wagnisse in Kauf genommen werden, aber wer sich der großen Masse mit einem 200 Millionen schweren Projekt präsentiert, sollte zumindest etwas mehr auffahren als bekannte Gesichter in einer noch bekannteren Handlung – die natürlich zu allem Überfluss auch noch Spielraum für Fortsetzungen lässt. Fehlt eigentlich nur noch Vin Diesel, der im zerrissenen Tank-Top eine Schlägerei mit The Rock beginnt, jäh unterbrochen von Hollywood-Schönling (bitte hier beliebigen Namen einfügen). Dann hätten wir alle Klischees beisammen und knacken bestimmt auch noch die 300 Millionen Grenze.

Fazit

Gemessen an einer moderaten Erwartungshaltung ist „Red Notice“ immerhin seichte Unterhaltung ohne jede Überraschung. Abseits der hochwertigen Optik weiß lediglich die Beinlänge von Frau Gadot zu begeistern, der Rest ist nicht mehr als der verweichlichte Klon aus einem Möchtegern-James-Bond und dem Charme alter Indiana Jones Filme, pausenlos durchzogen von semi-witzigen Einzeilern. Ein sündhaft teures Vergnügen, nur eben ohne großes Vergnügen – immerhin aber mit dem schlechtesten CGI-Stier der Neuzeit. Dafür kann man ruhig schon mal ein paar Scheine auf den Tisch legen.

Bewertung

Bewertung: 4 von 10.

(43/100)

Bilder: ©Netflix

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