Ein geschichtsrevisionistischer Western, veröffentlicht beim überproduktiven Streaming-Riesen Netflix. Wenn das nicht Stoff für einen Beitrag zur Debattenkultur wäre. Man könnte Lobpreisungen schreiben oder Verrisse, wie schon bei der Hit-Serie Bridgerton. Dort tanzten Menschen aller Couleur gemeinsam durchs viktorianische England. Geschichtsrevision als Diversitätspropaganda schrien die einen. Die Serie sei eine Umdeutung der dunklen kolonialistischen Vergangenheit als Weg in eine bessere Zukunft, sagten die anderen. Bei „The harder they fall“ reiten jetzt zwei schwarze Cowboy-Gangs gegeneinander an.  Am Anfang des Films weist eine Texttafel darauf hin, dass diese Geschichte nicht wahr ist. Aber: „These. People. Existed.“

von Marius Ochs

Der Anspruch ist also klar: Kein dokumentarischer Anspruch liegt dem Film zugrunde. Regisseur Jeymes Samuel will die Geschichtsschreibung nicht verändern. Hier geht es um ein Werk der Fiktion. Schlicht um Kunst, um Kino. So soll der Film auch betrachtet werden. „The harder they fall“ erzählt eine klassische, fast schon formelhafte Rachegeschichte im Western-Setting. Nur mit anderen Protagonistinnen und Protagonisten. Ein schwarzes All-Star-Ensemble schießt sich durch den Film. Jonathan Majors (Loki, Da 5 Bloods), Regina King (If Beale Street Could Talk, One Night in Miami), Lakeith Stanfield (Knives Out, Uncut Gems), Zazie Beetz (Deadpool 2, Atlanta) und Idris Elba (Luther, The Suicide Squad) sind dabei nur die bekanntesten Namen, die im Spielfilmdebüt auftreten.

So konzentriert der Film sich dann auch ganz auf seine Charaktere. Majors glänzt in der Hauptrolle als Outlaw mit klaren Moralvorstellungen. King und Stanfield liefern ihre Dialoge mit der nötigen Kühle, um als Antagonisten in Erinnerung zu bleiben. Der Spaß, den alle Beteiligten wohl am Film hatten, überträgt sich durch die durchgestylte Oberfläche. Sicher inszenierte Gewalt und ein grandioser Soundtrack setzen immer wieder ästhetische Highlights.

Der Film ist einfach zu verstehen, wenn man sich die Produzenten dahinter anschaut. Einerseits ist hier ein gewisser Sean Carter vertreten, besser bekannt als Jay-Z. Der Hip-Hop-Milliardär arbeitet schon länger daran schwarze Geschichten mainstreamtauglich zu machen. Er steht für einen kommerziellen, eher glattpolierten Ansatz, wie man ihn von Netflix gewohnt ist. Direkt neben ihm steht Lawrence Bender in den Credits. Ihn kennt man als Producer von fast jedem Tarantino-Film. Seinem Einfluss ist es wohl zu verdanken, dass man mehr als einmal an „Django Unchained“ erinnert wird. Generell ist der Einfluss des Kultregisseurs nicht zu leugnen.

Regisseur Samuel hat dabei gut geklaut. Oder netter gesagt: Sein Film ist eine gelungene Hommage. Es existieren sehr viel schlechtere Tarantino-Klone und sehr viel schlechtere Western. „The harder they fall“ dauert zwar ein bisschen zu lang, ist ein bisschen zu vorhersehbar und lässt bei Nebencharakteren abseits einzelner Gimmicks die Tiefe vermissen. Aber der Film haucht einem alten Genre neues Leben ein – und lässt dabei ein All-Star-Ensemble gekonnt glänzen.

Fazit

„The harder they fall“ sticht positiv aus den diesjährigen Netflix-Veröffentlichungen heraus. Wer sich auf die geschichtsrevisionistische Fiktion einlässt, wird mit Darstellern und Darstellerinnen, die offensichtlich mit Freude dabei sind, belohnt. Die durchgestylte und blutige Ästhetik á la Tarantino und eine grundsolide Geschichte machen den Film zu einem sehenswerten Genre-Beitrag.

Bewertung

Bewertung: 8 von 10.

(78/100)

Bilder: (c) Netflix