Über mangelnde Aufmerksamkeit kann sich Regisseur Matt Reeves nicht beschweren. Nicht nur, dass Batman spätestens seit der fantastischen Nolan-Trilogie wieder voll im Fokus von Fachleuten und Fangemeinde flattert, nein: spätestens seitdem die Besetzung des geflügelten Rächers bekannt wurde, wird jedes neue Bild und jede Sekunde der Trailer knallhart analysiert. Die Erwartungen sind groß, doch ebenso die Ängste: kann Robert Pattinson in die Fußstapfen von Keaton, Bale und Co. treten?

von Cliff Brockerhoff

Eine zum Teil nahezu überflüssige Frage, da Pattinson seinem Image als glitzernder Poster-Schönling längst entwachsen ist und „The Batman“ von Beginn an als neue, düstere Interpretation angekündigt wurde, die zeitlich vor dem spielt, was wir bisher aus Gotham zu Gesicht bekommen haben. Genauer gesagt führt uns der Film in die Gedanken und Ängste eines jungen Mannes, der sich seit zwei Jahren durch die dunklen Gassen schlägt, um den kriminellen Machenschaften Einhalt zu gebieten, seine eigene Rolle dabei aber mehr und mehr hinterfragt. Hat sein aktives Handeln im Sumpf des Verbrechens tatsächlich einen positiven Einfluss auf die Bürger oder ist das, was er Nacht für Nacht tut, lediglich ein Tropfen auf den heißen Stein?

Apropos Tropfen: 1995 besang die Band „Garbage“, dass sie nur glücklich ist, wenn es regnet. Eine Einstellung, die die Macher hinter „The Batman“ offenbar teilen, denn gefühlt steht Gotham City permanent unter Wasser. Alles wirkt dunkel, dreckig und insbesondere nachts ergießt sich der Himmel über den spärlich beleuchteten Straßen. Mittendrin dreht Robert Pattinson seine Runde, wohl wissend, dass er das Stadtbild nicht im Alleingang säubern kann und deshalb nahezu wahllos ausgewählte Situationen bereinigt. Das ändert sich schlagartig, als der Riddler das nasse Parkett betritt und in bester „SAW“-Manier bedeutende Personen zur Strecke bringt, die, entgegen ihrer eigentlichen Verantwortung, mit diversen Fehltritten auffällig wurden. Schnell wird eine Verbindung zwischen Held und Antagonist etabliert, wobei die Motive der beiden sich ähnlicher sind als es anfangs scheint. Während Bruce Wayne uns via Tagebucheinträgen auf dem Off in seine Gedankenwelt eintauchen lässt, stellt sein Gegenspieler klare Forderungen, damit er sein Treiben beendet. Und auch wenn Paul Dano, im Vergleich zu „Battinson“, eine deutlich geringere screentime besitzt, vereinnahmt er jede Szene, in der er auftaucht. Was Dano, trotz nahezu kompletter Vermummung, für eine Aura ausstrahlt, ist absolut beeindruckend. Manchmal genügen ein irrer Blick und ein Satz, um die Zeit einzufrieren und der Zuschauerschaft einen kalten Schauer über den Rücken zu jagen.

Aber auch Pattinson räumt schnell die Zweifel ihm gegenüber aus. Zugegeben, an manchen Stellen trägt das Drehbuch den Kajalstift etwas zu dick auf und erzeugt eine gewisse Disharmonie zwischen dem fragil wirkenden Bruce Wayne und seinem nächtlichen Alter Ego, das sich durchaus brutal und kompromisslos durch die Dunkelheit schlägt. Insgesamt liefert der britische Akteur aber genau das, was die innerliche Zerrissenheit für Außenstehende greifbar macht und fügt sich leistungstechnisch in den guten Cast ein, bei dem eigentlich nur John Turturro in seiner Rolle als Mafiaboss ein wenig abfällt. Keine zwingende Fehlbesetzung, vergleicht man seine Präsenz allerdings mit der eines Colin Farrell, ist der qualitative Unterschied spürbar. Letztlich nur ein kleiner Makel, der in all der visuellen Opulenz untergeht. Untermalt vom Titeltrack, der schon den ersten Trailer veredelte, und dem immer wiederkehrenden Theme beschwört der Film prägnante Momente herauf, die die Zuschauerschaft in den Sitz pressen. Diese Intensität schmückt „The Batman“ mit allerhand technischer Finesse aus und fängt die Atmosphäre sowohl in den dialoglastigen Szenen als auch in den Action-Passagen wunderbar ein – wobei letztere selten vorkommen. Reeves Batman ist mehr „Sin City“ als „John Wick“, mehr „Sieben“ als „Sicario“ und eher „Joker“ als „The Dark Knight“. Die Tonalität unterscheidet sich nochmal deutlich von dem, was Fans der DC-Verfilmungen gewohnt sind, sodass die ausufernde Laufzeit und das Erzähltempo zur Herausforderung werden könnten. Die präsentierte Geschichte ist dagegen altbekannt, womit wir beim größten Problem von „The Batman“ angekommen wären.

Anstelle einer differenzierten Auseinandersetzung mit den aufgeworfenen Fragen bespielt Reeves in seinen drei Stunden nämlich ausschließlich die Themen, denen sich der Zuschauer in nahezu jedem Batman-Film und auch mindestens in jedem dritten Thriller gegenübersieht. Korruption, Gier, Machtmissbrauch, Verrat; mittendrin ein Gegenspieler, der das komplexe Gebilde spielend leicht dekonstruiert und die handelnden Personen gegeneinander ausspielt. Das alles funktioniert fraglos auch wieder in „The Batman“, aber wer sich dafür entscheidet alles eine Spur finsterer und eine Prise dreckiger zu gestalten, darf dann gerne auch den Mut haben den eingeschlagenen Weg ein Quäntchen konsequenter zu Ende zu gehen. Eine Justierung der moralischen Stellschrauben findet zu selten statt, Kollateralschäden werden wortlos hingenommen und unser innerlich zwiegespaltener Protagonist kann seinem eigenen Dilemma nicht entfliehen. Hier nochmal präziser anzusetzen, diese Courage fehlt dem Drehbuch, das sich generell hinten raus unnötig oft verzettelt. Das klar ersichtliche Highlight des Films ist der Schlussakkord des zweiten Aktes, alles danach fühlt sich rückblickend qualitativ abschüssig an und kann nicht mehr mit der Vehemenz zuschlagen, wie es der Spielzeit davor gelungen war. Nichtsdestotrotz: die deutlich angeteaserte Fortsetzung bietet zweifelsfrei neuen Spielraum und gibt Reeves erneut die Chance auch die letzten Sprossen in die Abgründe der Menschheit hinabzusteigen.

Fazit

Matt Reeves‘ Vision von der geflügelten Vergeltung erweist sich als immens düsterer Neo-Crime-Thriller mit starken Bildern und einem beängstigend guten Antagonisten. „The Batman“ suhlt sich in der Schwärze, hat Kanten, nur wenige Längen und erweitert die Vita des Bruce Wayne spielerisch um ein weiteres Kapitel – vergisst jedoch leider seine Geschichte zwischen all dem Schwermut mit etwas wirklich Eigenständigem zu versehen. Audiovisuell herausragend, narrativ im letzten Drittel allerdings auch arg orientierungslos. Randnotiz: Pattinson glitzert nicht mehr. Wie auch, wenn in Gotham nie die Sonne scheint?

Bewertung

Bewertung: 8 von 10.

(83/100)

Bilder: ©Warner Bros.