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„Morbius“: Kritik zum Kinostart

Zwei Jahre ist es her, dass Interessierte weltweit einen ersten Blick auf den neuen Antihelden im Sony-Filmuniversum werfen durften. „Morbius“ schien endlich ein wenig düsterer zu sein. Versprach, die Enttäuschungen von „Venom“ nicht zu wiederholen, sich der Morbidität des Charakters vollends hinzugeben und den Fans vielleicht sogar endlich das langersehnte, von den Studios so konsequent gemiedene R-Rating zu bescheren.

von Mara Hollenstein-Tirk

So löste der Trailer zwar keine Jubelstürme, aber doch Hoffnungsschimmer aus. Doch dann kam die erste Hiobsbotschaft: die erste Verschiebung. Man wolle noch ein wenig daran feilen, ein paar Effekte gelte es noch zu bearbeiten. Hätten die Macher damals schon gewusst, was der Welt bald blühen würde, sie hätten vielleicht doch lieber das ungeschliffene Produkt auf den Markt gebracht. Denn will man ehrlich sein, viel Unterschied hätte es wohl nicht gemacht. Denn nach über zwei Jahren des Wartens, des steten Verschiebens, fragt man sich beim Blick auf das, was nun in den Kinos zu sehen ist, ob man die Zeit der geschlossenen Kinos, des allgemeinen Stillstands nicht vielleicht besser hätte nutzen können.

Gut, Nachdrehs waren natürlich nicht möglich, aber wenn tatsächlich kein Material zur Verfügung gestanden hat, um aus dieser Aneinanderreihung generischer Abziehbilder einen spannenderen, in sich konsistenteren Film zu schaffen, liegt der Hund wohl schon viel früher begraben. Anders als man meinen würde liegen die Probleme allerdings nicht im mal wieder fehlenden R-Rating. Klar, ähnlich wie damals bereits bei „Venom“ kann man nicht anders, als fragend den Kopf darüber zu schütteln, wie man die Mär von einem sterbenskranken Arzt, dessen Wunsch nach Heilung solche Ausmaße annimmt, dass er sich selbst dabei zu einer Art hominus nocturna, einem lebenden Vampir, macht, erzählen möchte, ohne dass dabei das Blut in Strömen fließt. Es erscheint einfach witzlos, dass die Studiobosse bei Superheldenfilmen so oft der Meinung sind, dem Ausgangsmaterial stets die Zähne ziehen, die Ecken und Kanten abschleifen und das Ganze auf möglichst jugendkonform trimmen zu müssen. Gerade auch, da Filme wie „Deadpool“ und „Logan“ mehr als eindrucksvoll bewiesen haben, dass diese auch mit dem gefürchteten R-Rating ordentlich Geld in die Studiokassen spülen können.

Aber wie bereits erwähnt, das fehlende Blut, ist hier bei weitem nicht das größte Problem. Es ist viel mehr dieses aufdringliche Gefühl der Unlust auf Seiten der Verantwortlichen, das einen bei der Sichtung beschleicht. Nicht jene der Schauspieler, die machen tatsächlich allesamt einen soliden bis regelrecht guten Job und sorgen mit ein der ein oder anderen emotionaleren Szene für ein paar der stärksten Momente des Films. Hier sind es tatsächlich die Drehbuchschreiber, der Regisseur, die VFX-Artists, die mit einer schlechten Entscheidung nach der anderen „Morbius“ in eine vergessenswerte Mittelmäßigkeit zwingen.

Gesetzmäßigkeiten werden etabliert, nur um bereits in der nächsten Szene über Bord geworfen zu werden, was zu Logiklöchern führt, die tiefer scheinen als der Grand Canyon. Figuren scheinen sich nicht zu entwickeln und wenn sie es doch einmal tun, dann so abrupt, dass man ihre Handlungen kaum mehr nachvollziehen kann. Doch am schwersten wiegen die Actionsequenzen, bei denen man das Gefühl hat, dass die „Transformers“-Filme wohl Vorbild gewesen sein müssen, denn die Bay’sche Megalomanie trieft aus allen Ecken. Die Explosionen mögen sich zwar in Grenzen halten, aber andauernd scheint die Leinwand vor Farben, halbgaren Effekten und schmückendem Beiwerk geradezu überzugehen, den Zuschauer erschlagen zu wollen. Ab und an wird dann aus Kulanz noch die Zeitlupenbremse eingestreut, damit die Augen für einen kurzen Moment Zeit bekommen, sich zu erholen, das Hirn sich neu orientieren kann, und weiter geht der wilde Ritt durch Lichteffekte. Die übrigens einem Effekt irritierend ähnlich schauen, der bereits bei „X-Men 2“ zum Einsatz kam – und dort deutlich besser.

Das alles gipfelt in einem Finale, welches sich so antiklimaktisch anfühlt, dass man ehrlich erstaunt ist, wenn dann auch schon die Mid-Credit-Scene kommt (kleiner Hinweis, das Ausharren bis nach dem Abspann kann man sich in diesem Fall sparen, denn eine zusätzliche End-Credit-Scene gibt es nicht), die einem mal wieder eine Fortsetzung anteasert, einen aber gleichzeitig auch an einen weitaus besseren Film erinnert, den man stattdessen lieber gesehen hätte.

Fazit:

So bleibt am Ende nicht viel mehr als ein paar bemühte Schauspieler, ein Drehbuch von der Stange, ein überfordert wirkender Regisseur, Effekte, die bereits vor 20 Jahren besser eingesetzt wurden und Actionsequenzen, bei denen man keinen Tau mehr hat, was da eigentlich gerade auf der Leinwand abgeht. Schade, denn eigentlich hätte die tragische Geschichte von „Morbius“ so viel mehr Potenzial in sich getragen, als eine weitere dieser Comic-Verfilmungen zu sein, die einem das Gefühl geben, es wäre Ende der 90er, eine Zeit, als die Comicverfilmungen sprichwörtlich gerade erst Laufen lernten. Seit 1.4. im Kino.

Bewertung:

Bewertung: 4 von 10.

(39/100)

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