Es ist ein gewagtes Unterfangen, sich der Kultfigur des Herrn Karl anzunehmen, steht man doch stets im Schatten des ebenso kultigen Helmut Qualtinger. Über die Jahre haben sich trotzdem so einige dieser Herausforderung angenommen, darunter auch Klaus Rott (besser bekannt als Karli Sackbauer). Doch niemand hat es gewagt, den ikonischen Dialog neu zu verfilmen. Bis jetzt.

von Christoph Brodnjak

Zumindest in Österreich braucht man weder den Herrn Karl noch seinen Schöpfer groß vorzustellen. Beide sind seit Jahrzehnten Kult und der Monolog des ewigen Opportunisten wird stets neu aufgeführt und auch regelmäßig im Schulunterricht gezeigt. Für Uneingeweihte: Der Herr Karl ist ein circa einstündiger Monolog des titelgebenden Durchschnittswieners. Er erzählt einem jungen Menschen im Off wie es so war, damals. Gemeint ist die Zeit der 1930er Jahre bis hin zum Staatsvertrag 1955. Es offenbart sich ein Bild eines lupenreinen Opportunisten, der es sich immer irgendwie gerichtet hat, sein Fähnchen immer in den Wind gehängt hat, stets auf den eigenen persönlichen Vorteil bedacht. Stellenweise charmant, doch im Grunde kaltherzig bis bösartig. Das goldene Wiener Herz eben, wie es so schön heißt. Der österreichischen Nachkriegsgesellschaft wurde so praktisch der Spiegel vorgehalten. Ein Skandal, naturgemäß. Und auch bis heute nicht weniger relevant geworden.

Beinahe pünktlich zum sechzigsten Geburtstag des Monologs konfrontiert uns Klaus Rott mit seiner Interpretation der Rolle, die er auch schon zuvor selbst auf der Bühne gespielt hat. Inhaltlich hat sich wenig verändert, warum auch. Auch das Setting ist unverändert, der Herr Karl im Gewölbe, im Lager eines Gemischtwarenladens. Der größte Unterscheid bei dieser und an sich allen Interpretationen ist die Intensität, die Betonung und das Charisma der Person selbst. Sicher hängt es den betroffenen Darstellern schon beim Hals raus, immer mit dem Qualtinger verglichen zu werden, aber das Risiko muss man in Kauf nehmen, da muss jeder durch.

Und leider Gottes muss man sagen, fällt diese Interpretation dahingehend eher fahl aus. Zwar ist der Monolog an sich nicht schlecht gespielt, dennoch setzt er sich auch nicht sonderlich vom Original oder anderen vorhergehenden Versuchen ab. Dem kann man nun natürlich entgegnen, wenn es ganz was Neues wäre, wäre es ja auch wieder nicht recht. Und das stimmt auch irgendwo. Dann stellt sich wiederum die ganz grundsätzliche Frage, wozu man eine Neuadaption überhaupt versuchen sollte, wenn das Original bereits ein solch ikonisches und witterungsbeständiges Level erreicht hat. Was nicht heißen soll, dass es per se unantastbar ist, dennoch muss sich eine Reinterpretation ihre Existenzberechtigung hart erkämpfen.

Als Beispiel, was damit gemeint ist, bietet sich etwa Andreas Vitaseks Bühnenversion an: Der Text ist dort genauso derselbe, wird aber etwas anders präsentiert. Erstens, weil die Darbietung eben auf der Bühne stattfindet, was bei Qualtinger nicht mehr möglich ist, wodurch sich die aktuelle Vitasek-Version schon von der Form her vom Ur-Karl abhebt und zweitens, weil sie doch auch gewisse neue Elemente wie Projektionen und Musik einbaut. (Es kann natürlich sein, dass diese Probleme weniger offensichtlich sind, wenn man mit dem Original wenig bis gar nicht vertraut ist.)

Um auch kurz auf die rein filmischen Elemente der „Herr Karl“-Neuadaption von Klaus Rott hinzuweisen: Im Grunde handelt es sich um einen Amateurfilm. Das muss nicht unbedingt als Wertung verstanden werden, sondern als Umstand. Gedreht wurde im eigenen Keller, mit einer minimalen Crew. Sowohl Licht als auch Tonmischung sind ebenfalls eher auf Amateurniveau. Der Schnitt unterscheidet sich etwas vom Original, spricht der Herr Karl hier nämlich nicht nur direkt in die Kamera, sondern wechselt auch immer wieder in die Totale. Was aber den unangenehmen Nebeneffekt hat, dass es so wirkt, als ob er Selbstgespräche führen würde.

Bei aller Kritik muss aber auch dazugesagt werden, dass es der ursprüngliche Plan war, einen Mitschnitt einer Bühnenvorstellung von „Der Herr Karl“ aufzunehmen und nicht vordergründig einen Film zu drehen. Dass es sich hier also eher um einen Plan B handelt. Und das merkt man leider auch.

Fazit

Es fällt zugegebenermaßen schwer, diesen Film zu empfehlen: Der Text ist heute wie damals unterhaltsam und entblößend. Im Anbetracht der vielen – auch technischen – Mängel, fragt man sich allerdings, warum man nicht gleich das Original auf YouTube schauen sollte. Vielleicht schaffen es ja Fans des Karli Sackbauer, der bisher wohl bekanntesten Rolle von Klaus Rott, eher, dieser „Herr Karl“-Neuadaption etwas abzugewinnen.

Bewertung

Bewertung: 4 von 10.

(40/100)

Zu sehen im Rahmen eines Bühnenprogramms von Klaus Rott im Theater Center Forum in Wien: https://www.theatercenterforum.com/vom-karli-sackbauer-zum-herrn-karl/

Bild: Klaus Rott