Trashige Doku-Serien wie „Das Geschäft mit der Liebe“ oder „Liebe unter Palmen“ (beide ATV) speisen ihr Interesse aus einer Mischung aus Faszination und Abscheu: Willige Männen aus dem Westen – in ihren Manieren und Sitten meist eher rau und ungehobelt – ziehen in den Osten (oder den Süden), um dort ihre „große Liebe“ zu finden.

von Christian Klosz

Für den westlichen Geschmack ist die Idee „Partnerschaft als ökonomisches Tauschgeschäft“ inzwischen eine befremdliche Sache, in anderen Kulturen wird das aber weiterhin so praktiziert, und der „begüterte Mann“ aus der Ferne gilt vielen Frauen (und deren Familien) als Sehnsuchtsobjekt, weil Subjekt der finanziellen Absicherung. Gern wird vergessen, dass Eheschließungen und Partnerschaften aus anderen Motiven als der „wahren Liebe“ auch in unseren Breiten die längste Zeit die Norm statt der Ausnahme waren. Und so ist die Erklärung für solche heutzutage seltsam erscheinende Praktiken meist schnell gefunden: Schuld wäre das „patriarchale System“, das Frauen zu Objekten degradiert, die sich ein Mann jederzeit „kaufen“ könne, wenn er nur die nötigen Mittel hätte. Die weniger kritische, aber rückständig-glorifizierende und exotisierende Ansicht ist, dass „die Frauen im Osten (etc.)“ noch „richtige Frauen“ wären, die sich dem Mann unterordnen und dessen Wünsche erfüllen würden. Beide auf den ersten Blick konträre (und gleichermaßen einseitige) Deutungen fußen auf dem selben Ordnungsschema, das Frauen zu bloßen Objekten ohne eigene Interessen und Absichten macht – im einem Fall Anlass zur Kritik, im anderen Wunschvorstellung. Dass die Realität meist etwas komplexer ist, illustriert die Doku „Good Life Deal“ von Samira Ghahremani, die im Rahmen der Diagonale 2022 erstmals zu sehen war.

Der Film begleitet Gerhard, einen Endvierziger aus Österreich, auf seine Reise nach Thailand. Er ist dort offenbar auf der Suche nach der großen Liebe, die er scheinbar auch findet: Amy, etwa gleichaltrig, wirft sich Gerhard an den Hals, als der ihr Taxi voll bepackt besteigen will, wie sie selbst erzählt, die beiden wohnen nun in einer guten Vorortgegend in einem schönen Häuschen – inklusive Amys Familienanhang -, das Gerhard mit seinem Geld finanziert hat.

Die Hintergrundgeschichte von Gerhard ist etwas schwammig, er erzählt einmal, er habe früher „für die Regierung“ gearbeitet und viel Sport gemacht, bis ihn eine nicht definierbare und bisher nicht behandelbare Krankheit (Probleme mit dem Nacken, dem Gehen) in die Frühpension gezwungen hat. Er erhält offenbar regelmäßig Geld vom Staat, sein Leben in Thailand finanziert er durch die Einnahmen des Verkaufs seiner Wohnung in Österreich.

Während es zu Beginn von „Good Life Deal“ noch so wirkt, als hätten Gerhard und Amy eine durchaus tragfähige Beziehung, wandelt sich das Bild im Laufe des Films schlagartig: Amy eröffnet eine Silberboutique, die ihr, so scheint es, auch Gerhard finanziert, die beiden wollen aus dem Miethaus in ein Eigentumshaus ziehen. Er überweist ihr umgerechnet rund 100.000€ auf ihr Konto, damit sie das avisierte Haus bezahlen kann und sich um die behördlichen Formalitäten kümmert – bis sie plötzlich verschwindet. Nach Nachfrage bei der lokalen Zulassungsbehörde ist nur ein kleiner Teil der Summe auf deren Konto eingelangt. Problem für Gerhard: Sein Geld ist weg, und seine Frau dazu. Ihr Aufenthaltsort ist schwer zu ermitteln, sie scheint mit ihrer gesamten Familie nach Myanmar abgehauen zu sein. Gerhard sitzt mit einer Freundin aus Österreich, die zur Unterstützung angereist ist, in Thailand vor den Scherben seiner Existenz.

„Good Life Deal“ illustriert zum einen, dass „amouröse Tauschbeziehungen“ mitnichten nur einen Profiteur haben (den Mann), sondern auf einem komplizierten System gegenseitiger Abhängigkeiten und Illusionen gründen. In diesem Fall ist die Frau handelndes Subjekt, das ihre Interessen (mit teils kriminellen Mitteln) zu verfolgen sucht, während der Mann als ausgenutztes Opfer zurückbleibt. Klar ist, dass das auch umgekehrt laufen kann, und es mag auch Fälle geben, wo diese Beziehungen funktionieren, aus dem Tauschhandel so etwas wie „wahre Liebe“ oder zumindest eine für beide Seiten annehmbare Beziehung mit Vorteilen wird – in Gerhards Fall ist das nicht so.

Rein filmisch bietet „Good Life Deal“ wenig Aufregendes, auch hätte man sich gewünscht, dass die Gespräche mit den Protagonisten weiter in die Tiefe gehen: Es hätte interessiert, was der genaue Beweggrund Gerhards war, nach Thailand zu gehen, was er sich von seiner Beziehung mit Amy erwartet, warum er nicht in der Heimat nach einer Partnerin gesucht hat. Und wie es ihm mit, während, nach der Erfahrung ging/geht. Stattdessen sind wir meist nur stille Beobachter, die den Alltag der beiden begleiten und uns selbst unseren Reim auf das Gesehene machen müssen.

Fazit:

Trotz einiger Schwächen, die in technischen Aspekten und der „Dramaturgie“ zu finden sind, bietet „Good Life Deal“ interessante Einblicke in eine fremde Kultur und ein Phänomen, das sonst meist nur zur Unterhaltungszwecken ausgeschlachtet wird. Antworten und Erklärungen gibt der Film keine, aber er stellt gekonnt dar, was ist, und liefert so ein der Komplexität der Realität angemessenes Bild von „Geschäften mit der Liebe“.

Bewertung:

Bewertung: 7 von 10.

(71/100)

Bild: © Samira Ghahremani