Nach einem kurzen Ausflug vor die Kamera („Vortex“) und mehrjähriger Pause hinter der Kamera ist Dario Argento endlich wieder da, wo er hingehört. Ganze zehn Jahre hat es seit „Dracula 3D“ gedauert, bis der italienische Kultregisseur wieder im Regiesessel platzgenommen hat: „Dark Glasses“, so der Titel des neuen Werks, ist ab heute im Kino zu sehen.

von Christoph Brodnjak

Mit dem Vorwissen des vorhergehenden Films waren die Erwartungen dementsprechend auf eher niedrigem Niveau angesiedelt. Doch Argento geht es diesmal betont simpel an. Ein Serienkiller auf der Pirsch nach Prostituierten. Und eine eben erblindete junge Frau, die genau in sein Beuteschema passt. Gar etwas zu banal? Vielleicht.

Ganz so einfach ist es bei genauerer Betrachtung fairerweise auch wieder nicht. Und hinzu kommt noch die Beziehung zwischen dem Callgirl Diana (Ilenia Pastorelli) und dem kleinen Buben Chin (Andrea Zhang). Die beiden verbindet ein durch den Killer verursachter Autounfall, der Diana das Augenlicht und Chin seine Eltern kostete.

Die Geschichte ist das eine, aber die wahre Anziehungskraft eines wahren Argento – Klassikers liegt ja mehr in seiner Form, den Farben und der Atmosphäre. Ernüchternderweise muss man leider feststellen, dass zwischen den klassischen Vertretern der 70er Jahre („Suspiria“) und diesem neuesten Werk wahrlich Jahrzehnte liegen, das aber nicht zum Vorteil von „Dark Glasses“ ausfällt. Sonderlich im Gedächtnis bleiben keine der Bilder oder Momente, obwohl vereinzelt zumindest der vertraute morbide Witz und Gewaltexzess durchscheint. Hervorzuheben ist dennoch die Musik, die ihr Bestes versucht, dem Geschehen etwas Atmosphäre einzuhauchen.

Immerhin: Im Vergleich zu „Dracula 3D“ geht es wieder bergaufwärts. Keine überbordenden, geradezu peinlichen digitalen Effekte, die den Film ins Lächerliche ziehen – man muss Argentos bewusste Zurückhaltung durchaus loben. Und per se ist an „Dark Glasses“ auch nichts schlecht. Die Dinge, die er in seinen doch sehr kurzweiligen 90 Minuten anstellt, sind solide. Stellenweise macht er sogar wirklich Spaß. Es gibt gewisse Spannungsmomente und die klassischen Elemente eines Krimis. Aber es ist leider nicht mehr als das. Filme über Serienkiller sind nun wirklich keine Seltenheit mehr, haben sich über die Jahrzehnte auch schon weiterentwickelt, und erlauben mehr Komplexität.

Simpel wäre dennoch legitim, wenn es nur durch etwas anderes – Atmosphäre, Stilistik -ausgeglichen würde. Gerade weil jemand wie Dario Argento diesbezüglich auf eine Vielzahl an Klassikern des Genrekinos zurückblicken kann. In dieser Hinsicht verlässt man den Kinosaal dann doch etwas enttäuscht.

Fazit

Ein Gros der Frustration bei „Dark Glasses“ ist vermutlich durch Vertrautheit mit den früheren Werken des Regisseurs erklärbar. Für sich genommen ist der Film absolut ausreichend, für eineinhalb Stunden unterhalten zu werden. Einschlafen wird man dabei nicht. Sonderliche Überraschungen darf man aber auch nicht erwarten. Ab 16.6. im Kino (D+Ö)

Bewertung

Bewertung: 6 von 10.

(55/100)

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