Wie bereits 2019, 2020 und 2021 blicken wir auf die erste Hälfte des Jahres zurück, um ein vorübergehendes Resümee über die besten Filme (und Serien) zu ziehen: Die Film plus Kritik – Redaktion präsentiert die Topfilme des ersten Halbjahres 2022.

Wir haben heuer den Modus der Bewertung angepasst, anstatt die Filme anhand der Film plus KritikRatings zu reihen oder individuelle Tipps zu sammeln, erfolgte die Erstellung der Liste nach demselben Schema wie bei unseren Jahrescharts (die besten Filme 2020, 2021): Jede/r Redakteur/in erstellte eine persönliche Liste mit den 10 „Lieblingsfilmen“ seit 1.1.2022, für jeden Platz gab es Punkte, also für Platz 1 10 Punkte, für Platz 2 9 Punkte usw. Die Punktewertungen wurden addiert und so entstand die finale Reihung.

Nominierbar waren alle Filme und Serien(staffeln), die zwischen 1.1. und 30.6.2022 erstmals regulär in Österreich oder Deutschland veröffentlicht wurden, im Kino, auf einer Streamingplattform, als VOD oder auf DVD/BD.

Die Top 5

Platz 1: „Top Gun: Maverick“ – 27 Punkte

„Top Gun: Maverick“ braucht einiges an Anlaufzeit: In der ersten Stunde wird das Setting etabliert, die (neuen) Charaktere werden vorgestellt und wir erhalten Einblicke in Mavericks neues Leben, das sich seit damals nicht groß verändert zu haben scheint. Dann aber macht der Film etwas, das zuletzt nur wenigen gelang: Er (bzw. Regisseur Kosinski) zieht das Tempo an und entfacht ein immersives Kinofeuerwerk des Sehens, Hörens, Staunens und Fühlens, das sich direkt auf den Zuschauer überträgt. Vor allem die Actionsequenzen sind eine Augenweide und ganz großes Kino, gekennzeichnet durch immense Spannung und rastlose Bewegung, ein Kunstwerk der Bildermontagen, Kameraaufnahmen und Schnitte. Ein großer, ganz und gar eigenständiger Actionfilm, der die besten Qualitäten des Genres ehrt, seine eigene Bildsprache entwickelt, die ihn zwar vom Original abhebt, aber ihm dabei nicht hinterherhinkt, und vor allem ein Beitrag zur offenen Diskussion ist, ob und ich welcher Form es Kino eigentlich noch braucht. (ck) -> zur Filmkritik

Platz 2: „The Batman“ – 25 Punkte

Matt Reeves‘ Vision von der geflügelten Vergeltung erweist sich als immens düsterer Neo-Crime-Thriller mit starken Bildern und einem beängstigend guten Antagonisten. „The Batman“ suhlt sich in der Schwärze, hat Kanten, nur wenige Längen und erweitert die Vita des Bruce Wayne spielerisch um ein weiteres Kapitel. Audiovisuell herausragend. Randnotiz: Pattinson glitzert nicht mehr. Wie auch, wenn in Gotham nie die Sonne scheint? (cb) -> zur Filmkritik

Platz 3: „The Northman“ – 23 Punkte

Treffen sich Shakespeare und Odin in einer Spelunke – bei „The Northman“ prallen nordische Mythologie und pathetische Theatralik aufeinander und entfesseln ein animalisches Inferno vor malerischer Kulisse. Robert Eggers („The VVitch„, „The Lighthouse„) öffnet sich dabei ein Stück weit dem Mainstream, opfert seine individuelle Vision jedoch glücklicherweise nie in Gänze, sodass auch sein drittes Werk so einigen das stumpfe Schwert vor den Kopf stößt. Fans dürfen sich also auf einen starken Film freuen. (cb) -> zur Filmkritik

Platz 4: „X“ – 15 Punkte

Es dauert tatsächlich eine gewisse Zeit bis „X“ sich vollständig und ungeniert für die Zuschauerschaft entkleidet, dafür entschädigt das Werk in der zweiten Hälfte mit schwungvollen Stellungs- und vor allem Stimmungswechseln. Mal von bitterbösem Humor beseelt, dann blutrot eingefärbt gewinnt Ti Wests‘ neuer Film immer weiter an Intensität und gipfelt bei sphärischen Klängen in seinem saftigen Finale voller handgemachter Effekte. Ein sexy Retro-Slasher, der Spaß macht. (cb) -> zur Filmkritik

Platz 5: „The Card Counter“ – 14 Punkte

Die stoische Erzählweise von „The Card Counter“ profitiert im höchsten Maße von einem eiskalt aufspielenden Oscar Isaac und Schraders‘ unverkennbarem Gespür für eine bedrohliche Atmosphäre. So treffen persönliche Katharsis und die Kompromisslosigkeit militärischer Foltermethoden aufeinander und erzählen im Kern eigentlich eine schon fast bittersüße Liebesgeschichte. Spannend bis zum Anschlag und ein absoluter Jackpot der jüngeren Filmgeschichte. (cb) -> zur Filmkritik

ex-aequo mit: „Der schlimmste Mensch der Welt“ – 14 Punkte

Was „Der schlimmste Mensch der Welt“ so wirksam macht, ist, dass er viele Momente der Wiedererkennung und Identifikation zulässt, ganz gleich, wo man selbst gerade im Leben steht: Die einen erkennen sich vielleicht in der Hauptfigur wieder, oder in einem der anderen, gleichsam sich auf der Suche befindenden Charaktere. Oder man erkennt gar sein altes Selbst, denkt zurück an die eigenen Probleme und Gedanken, die man zu dieser Zeit im Leben hatte. Das ist es doch, was Filme oftmals so magisch macht: Sich von den Schönheiten des Lebens mit all seinen Schattenseiten berauschen zu lassen, und vielleicht sogar etwas mehr über sich selbst zu erfahren. (bj) -> zur Filmkritik

weitere Filme mit hoher Einzelwertung:

„Nawalny“ – 10 Punkte

„Nawalny“ ist vielleicht der bisher wichtigste Film des Jahres – und definitiv einer der besten. Wer verstehen will, wie das System Putin funktioniert und Beweise will, dass es ein auf Angst, Lug, Betrug und Propaganda gegründeter Kosmos ist, der vor nichts zurückschreckt, dem es um nichts anderes geht als um Machterhalt um jeden Preis, findet hier die unwiderlegbaren Beweise. Darüber hinaus ist die Doku gut geschnitten, enorm fesselnd und kann mit einem Protagonisten aufwarten, dessen Charisma man sich nur schwer entziehen kann. (ck) -> Kritik

„Rimini“ – 9 Punkte

„Rimini“ ist ein wundervolles Porträt gleich mehrerer Menschen, vielleicht gar einer ganzen Generation, oder auch der Nachkriegszeit an sich. Trotz des Realismus und der „Lebensnähe“ geht die Geschichte dabei trotzdem voran, es handelt sich in keinster Weise um ein zielloses Herumtorkeln von Charakteren und Motiven: Ein authentischer Film über Menschen und, wie könnte man es vergessen, Musik. Amore! (bj) -> Kritik

„The Black Phone“ – 9 Punkte

Scott Derrickson, Robert Cargill und Joe Hill bringen uns als Dream-Team den neuesten Blumhouse-Beitrag – und wir danken ihnen. Egal ob langjähriger Horrorfanatiker oder Fan von psychologischen Thrillern: „The Black Phone“ wird wohl jedem durch Mark und Bein gehen. Eine erfrischende Darstellung der „Kinder in Not“-Story mit realistischen Charakteren, packendem Look und einem Bösewicht, den die Filmwelt so schnell wohl nicht mehr vergessen wird. (nj) -> Kritik

„Vortex“ – 9 Punkte

Wenn aus liebevoller Zweisamkeit schmerzhafte Einsamkeit wird, wenn aus Intimität Entfremdung wird und wenn ein wunderschöner Traum zum beängstigenden Albtraum wird: „Vortex“ ist ein berührendes, intensives Drama, das mit Wehmut, Ehrfurcht und Fingerspitzengefühl dem Alter und einer tückischen Krankheit begegnet. (me) -> Kritik

„Was sehen wir, wenn wir zum Himmel schauen?“ – 9 Punkte

Regisseur Alexandre Koberidze schafft mit seinem erst zweiten Langfilm ein magisches, mystisches, wunderschönes Kunstwerk, das in höchstem Ausmaß filmisch ist und in seiner Schlichtheit glänzt wie eine Perle. Ein lebensfrohes und poetisches Plädoyer für die Hoffnung und das Leben – trotz allem. (ck) -> Kritik

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Bild: (c) Warner bzw. Paramount