Rund um die Jahrtausendwende hatte die asiatische Horrofilmbranche Hochkonjunktur. Mit „ Ju-on“  und „Ringu“ erschienen in kurzer Abfolge zwei erfolgreiche und bis heute beliebte Werke, die den ein oder anderen Filmeabend zur kleinen Mutprobe haben werden lassen. Die speziellen Bilder kreierten eine schaurige Atmosphäre, die das US-Kino so nicht kannte. Doch wie es immer so ist, folgten schnell amerikanische Remakes, die optisch hochwertig waren, qualitativ jedoch hinter den Vorbildern zurückblieben. Bis auf unnötige Fortsetzungen oder abermalige Aufarbeitungen wurde es ruhig um das Genre, doch mittlerweile schwappen wieder mehr Werke aus Asien in europäische Gefilde.

von Cliff Lina

Das Shivers-Festival präsentierte „The Long Walk“, bei Genrefans erfreuten sich Filme wie „The Wailing“ oder „Train to Busan“ großer Beliebtheit und selbst Netflix nahm mit „Incantation“ einen vergleichbaren Film ins Programm. Auf dieser Welle schwimmt nun auch „The Medium“, ein thailändischer Horrorfilm, der im Dokumentarstil eine Schamanin begleitet, die im Zuge einer Beerdigung ihre Familie besucht. Nach der Zeremonie fängt ihre Nichte urplötzlich an seltsame Verhaltensweisen an den Tag zu legen. Was anfänglich auf eine Vererbung des Schamanismus hinweist, deutet mehr und mehr auf die Besitzergreifung durch einen bösen Geist hin. Schlimmer noch: offenbar sind gleich mehrere Geister in die junge Mink gefahren.

Dabei spielt das Werk vom Start weg die bekannten Stärken aus, die das asiatische Kino einst so in den Vordergrund gerückt haben. Anstelle von plumpen Schockmomenten entblättert sich erst einmal eine ruhige Story, die auf subtile Gruselmomente setzt. Eine Spiegelung im Glas, eine vermeintliche und nicht näher beleuchtete Leiche am Wegesrand, unheimliche Begegnungen in der Nacht: es ist die Atmosphäre, die bei „The Medium“ für erhöhten Puls sorgt. Nim, die Schamanin, die aufgrund eines Vorfalls in der Vergangenheit mit ihrer Familie gebrochen hatte, agiert als Bindeglied zwischen Inhalt und Außenwirkung, erläutert in Einzelgesprächen Details zur aufzeigten Kultur, den Sitten, Gebräuchen und der allgemeinen Auffassung von Geistern überhaupt. Ein kluger Schachzug, denn für europäische Augen mag beispielsweise die Darstellung einer Bestattung befremdlich wirken, unterscheidet sie sich doch stark von dem, was wir als normal erachten.

Die Herangehensweise kann somit einerseits für eine Intimität sorgen, die uns mitten ins Geschehen führt und erklärt simultan spielerisch verschiedene Einzelheiten, die zum Verständnis beitragen, sodass vor allem die erste Stunde ungemein spannend und interessant zugleich ist. Zeitsprünge verhindern unnötige Langeweile und spätestens als Mink zum ersten Mal im „Der Exorzist“-Stil mit Schimpftiraden um sich wirft nur um wenige Szenen später als Samara-Double durch die nächtlichen Kameraaufnahmen zu kriechen, gewinnt „The Medium“ an Tiefe, vor allem auch deshalb, weil der thailändische Film oftmals eine Prise Selbstironie einstreut und sich seiner Anleihen bewusst ist. Als Highlight erweisen sich aber gar nicht mal die gruseligen Sequenzen, sondern die ausdrucksstarken und liebevoll gestalteten Bilder der Rituale, die so randvoll mit Schauwerten sind, dass sich die komplette Bandbreite fast nicht erfassen lässt. Einiges bedarf einer Interpretation und muss vorerst hingenommen werden, in Gänze sind Geschichte und Fortlauf trotzdem in sich schlüssig.

Ist „The Medium“ also ein weiteres, großes Highlight der fernöstlichen Filmkunst? Jein. Das ist, angesichts der starken Einleitung und des großartigen Mittelteils, umso bedauerlicher und letztlich auch nur dem Umstand geschuldet, dass dem Drehbuch gegen Ende ordentlich die Puste ausgeht. Die letzte halbe Stunde ist plötzlich nur noch ein repetitive Aneinanderreihung ähnlicher Szenen, die man in anderen Filmen bereits stärker gesehen hat und zudem auf einmal jegliche Logik vermissen lassen. Klar, im übernatürlichen Metier kann, soll und muss nicht alles erklärbar sein, aber dass ein Kameramann im Angesicht des nahenden Todes alles dafür tut um die Aufnahmen weiterlaufen zu lassen statt an einer Flucht zu arbeiten, ist leider deutlich zu sinnbefreit und reißt Löcher in die Logik, die wiederum den Zuschauer aus der Spannung reißen. Auch der konsequente und untypische Abschluss kann dafür nicht entschädigen, und so endet „The Medium“ auf einer bitteren Note, da massiv Potenzial auf den Straßen Thailands liegen gelassen wurde.

Fazit

Alleine für den kulturellen Exkurs lohnt sich ein Blick auf „The Medium“, der es inmitten all der fremdartigen Riten und Traditionen lange Zeit schafft eine spannende, weil nahbare Geschichte zu erzählen. Detailreiche Bilder säumen den Weg zu einem Finale, welches leider wiederum nicht generischer sein könnte. Wer das asiatische Horrorkino per se schätzt und typische Genreschwächen schlucken kann, dürfte trotzdem zwei kurzweilige Stunden erleben. Ab dem 28.07. auf BluRay, DVD oder im stylischen Mediabook (inkl. Bonus-Film „Shutter“) erhältlich!

Bewertung

Bewertung: 6 von 10.

(62/100)

Bilder: (c) Koch Films