Der nächste Netflix-True Crime-Wahnsinn? Nach „Tiger King“, „Der Tinder Schwindler“, „Bad Vegan“ und allerlei anderen besseren oder schlechteren Dokumentationen abseitiger, verrückter und einfach unglaublicher Protagonisten und deren Taten wartet der Streamingdienst mit dem nächsten Wurf auf: „Die wilde Welt des John McAfee“ porträtiert den Gründer des allseits bekannten und nach ihm benannten PC-Antivirenprogramms, dessen Vita in den letzten Jahrzehnten zunehmend exzentrische Züge annahm, um es vorsichtig auszudrücken. Dazu gehört: Exil auf einer karibischen Insel, ein mysteriöser Mord an seinem Nachbarn, jede Menge Waffen, Drogen und Alkohol, eine mehr als filmreife Flucht, erst aus Belize, dann aus dem Gefängnis, die folgende Kandidatur für das US-Präsidentenamt und Erzählungen von unfassbaren Verschwörungen bis in die höchsten Kreise der Politik. Was davon echt und wirklich und was pure Fiktion, die zur Wirklichkeit wurde, ist, lässt sich auch nach Sichtung des Dokumentarfilms nicht abschließend beurteilen, spielte doch der Protagonist selbst stets mit verschiedenen Wirklichkeitsebenen und den Erzählungen über sich. So ist am Ende nicht einmal sicher, ob McAfee, offiziell 2021 verstorben, nicht doch noch am Leben ist.

von Christian Klosz

Inhaltlich bietet die Geschichte des charismatischen Software-Entwicklers, der sich nach Ruhm und Erfolg eine Weile als Yoga- und Meditationsguru versuchte, bis ihm auch das zu langweilig wurde, eine seit „Tiger King“ nicht mehr gesehene Fülle and Verrücktheiten und Wahnsinn. Die Macher können aus dem Vollen schöpfen, die Story des John McAfee böte genug Material für mehrere Spielfilme oder eine ganze Doku-Reihe. Insofern ist es schade, zu sehen, wie wenig daraus gemacht wurde. „Auf Teufel komm raus: Die wilde Welt des John McAfee“ ist nicht wegen seiner Erzählweise und Inszenierung sehenswert, sondern trotzdem – was direkte Rückschlüsse auf den Wert des Stoffes zulässt.

Regisseur Charlie Russel beschränkt sich darauf, ein wildes Mosaik aus Kameraaufnahmen, Archivbildern, Interviews mit Ex-Freundinnen, Bekannten und Journalisten vorzulegen, das weder chronologisch, noch inhaltlich sortiert ist. Der Schnitt lässt auch schwer zu wünschen übrig. Man fühlt sich, als würde man einen riesigen Topf voller Absurditäten vor sich ausgeschüttet bekommen, dessen Inhalt allein durch seine abstoßend-anziehende Wirkung für interessierte Faszination sorgen soll. Macht er auch – aber etwas Wehmut bleibt trotzdem zurück, denn was wäre hier möglich gewesen, hätten sich die Macher mehr Zeit gelassen, mehr Sorgfalt bei der Sortierung an den Tag gelegt?

„Auf Teufel komm raus: Die wilde Welt des John McAfee“ ist auch einer der eher seltenen Fälle, bei dem mehr mehr gewesen wäre, nicht weniger, sprich: Eine Miniserie mit einigen Episoden und einer Gesamtlaufzeit von 4 Stunden plus wäre die ideale Form gewesen, zumindest den Teil des Materials zu präsentieren, dessen sich der gut eineinhalbstündige Film annimmt.

mxa

Fazit

Netflix scheitert bei der Suche nach dem nächsten True Crime-Nugget nicht am gefundenen Material, sondern an sich selbst: „Auf Teufel komm raus: Die wilde Welt des John McAfee“ ist kein neuer „Tiger King“-Kult, aber nicht, weil sein Protagonist es nicht mit dem Wahnsinn eines Joe Exotic aufnehmen könnte, sondern weil einfach zu schlampig und nachlässig gearbeitet wurde. Trotzdem bleibt der Dokumentarfilm um das bizarre Leben des bekannten Software-Milliardärs ein vergnügliches Seherlebnis, was einzig auf den Stoff und seinen Protagonisten zurückzuführen ist. Man möchte geradezu hoffen, dass sich ein anderes Produzententeam (oder Netflix in einem zweiten Versuch?) dieser verrückten (Lebens-)Geschichte annimmt, die mehrere Serien füllen könnte. Seit 24.8. auf Netflix.

Bewertung

Bewertung: 7 von 10.

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Bilder: (c) Netflix