Wer kurz nach der Jahrtausendwende Geld darauf gewettet hätte, dass ein bis dato eher für seine Splatterfilme bekannter Regisseur mit verhältnismäßig geringem Budget eine der erfolgreichsten Filmreihen aller Zeiten kreiert – diese Person wäre wohl heute über alle Maßen reich. 17 Oscars, fast 3 Milliarden US-Dollar Einspielergebnis (bei gerade einmal knapp 280 Millionen US-Dollar Budget) und eine Fangemeinde, größer als jedes Ork-Heer: die Rede ist natürlich von Peter Jackson und seiner cineastischen Adaption des Romans von John Ronald Reuel Tolkien, der einst die Heldenreise rund um Frodo Beutlin und seinen Gefährten zu Papier brachte. Und auch heute, fast 20 Jahre nachdem Der Eine Ring in den Lavaströmen des Schicksalsberges versank, strömt das „Der Herr der Ringe“-Franchise eine ungebrochene Faszination auf seine Fans aus.

von Cliff Lina

Kein Wunder also, dass die von Amazon Prime produzierte Serie „Die Ringe der Macht“ mit enormer Vorfreude erwartet wird. Ebenso groß ist allerdings auch die Skepsis, vor allem nach den ersten Trailern. Dunkelhäutige Elfen, neue Figuren – zu viel für Verfechter des traditionellen Stoffes, auf dem die Serie allerdings gar nicht so streng beruht. Andere lassen sich wiederum nicht beirren und blicken freudig in die Zukunft, denn schon vor Erscheinen der ersten Staffel wurde mindestens eine weitere Staffel bestellt – drei weitere sollen folgen. Handlungstechnisch bewegen sich die Ereignisse weit vor dem, was die Realverfilmung uns nähergebracht hat. Genauer gesagt sogar mehrere tausend Jahre vorher, mitten im Zweiten Zeitalter, in dem beispielsweise die Ringe der Macht geschmiedet wurden. Der genaue Zeitraum war lange unklar, doch mit Erscheinen der ersten beiden Folgen kommt nun Licht ins Dunkeln.

Ebenjenes Dunkeln kann Galadriel nicht übersehen. Auch wenn der Kampf gegen Morgoth erfolgreich ausgetragen wurde und der Feind geschlagen scheint, kann die spätere Herrin des Waldes von Lórien ihren inneren Zwiespalt nicht verbergen. Ihr Herz sinnt auf Rache für den Tod ihres geliebten Bruders, doch alle um sie herum dürsten nach Frieden, eingeschlossen Gil-Galad, seines Zeichens Hoher König der Noldor. Als dieser Galadriel und ihre Gefolgschaft zeremoniell ehrt und das Zeitalter des Friedens ausruft, wächst in ihr der Entschluss sich zu widersetzen. Eine gefährliche, aber weise Entscheidung, denn nicht nur in Valinor schwelt das Böse weiterhin unter der Oberfläche, auch in Mittelerde verdichten sich die Vorzeichen darauf, dass Sauron und seine Armee zwar augenscheinlich nicht mehr zu sehen sind, die Bedrohung aber längst nicht beendet ist. Schlimmer noch, das Unheil bündelt seine Kräfte und wappnet sich für die nächste Schlacht. So sehen sie aus, die groben Eckpfeiler der ersten zwei Folgen, namentlich „Schatten der Vergangenheit“ und „Treibgut“.

Erzählerisch entwickeln sich schnell drei verschiedene Haupthandlungsstränge, die allesamt erst einmal nur grob miteinander verwoben sind. Wir treffen auf viele bekannte Gesichter, lernen aber hauptsächlich neue Charaktere kennen, die es einzuordnen gilt. Eines wird dabei schnell klar: ebenso wie in der Filmtrilogie wird auch bei „Die Ringe der Macht“ kein Wort einfach nur ausgesprochen. Sämtliche Dialoge schwimmen in Theatralik, muten fast poetisch an und erwecken schöne Erinnerungen an die Weisheiten eines Gandalf oder die emotionalen Gespräche zwischen Frodo und Sam. Immer wieder ertappt man sich dabei unbewusst Vergleiche anzustellen, befeuert durch den Ansatz der Serie, die in vielen Szenen ganz willentlich auf bereits Bekanntes anspielt. Optisch ist all das eine absolute Augenweide, vom Start weg präsentiert sich die visuelle Komponente von erhabener Eleganz. Das Zusammenspiel aus Farben, Formen und den Figuren strotzt nur so vor Detailreichtum. Egal ob die eisige Kälte des Nordens, der goldene Glanz von Valinor oder das naturbelassene Reich der Haarfüße – alle Kulissen, Kostüme und/oder Effekte offerieren eine Wertigkeit, an die nur wenige Serienproduktionen heranreichen.

Doch handelt es sich hier um Augenwischerei? Ist „Die Ringe der Macht“ mehr Schein als Sein? Bei der Beantwortung dieser Fragen kommt es sehr stark darauf an ob es gelingt die Serie losgelöst zu betrachten. Für Nostalgiker ist das Wiedersehen mit Elrond und Co. ein Gänsehautmoment, trotz der Darstellung durch andere Akteure. Unterlegt mit orchestralem Arrangement strahlt die gesamte Szenerie zu jeder Zeit das Gefühl aus, das vermittelt werden soll. Insgesamt stehen die anderen Charaktere dafür aber auch im großen Schatten ihrer Anführer. Noch gelingt es der Serie nicht eine eigenständige Tiefe auszuarbeiten, man verlässt sich zu sehr auf die Beliebtheit des Franchises und kann innerhalb der zwei Stunden nur wenige Momente kreieren, die für sich stehen. Dazu erinnert die Story noch zu sehr an die Heldenreise der Gefährten und schafft es nicht die Tragweite nach außen zu transportieren. Die stets angesprochene Gefahr ist wenig greifbar, Handlungsmotivationen zu abstrakt. Doch es gibt Hoffnung.

Mit Fortlauf der zweiten Folge erfahren wir dann nämlich endlich auch, wieso die Serie ihren Namen trägt und die einzelnen Erzählungen laufen langsam ineinander. Das worldbuilding scheint vorerst abgeschlossen und fortan könnte die Tonalität umschlagen. Bisher, die ersten Minuten von Folge Eins ausgeklammert, war doch alles sehr fröhlich, unbeschwert, ja fast kindlich. Einigen wird das sauer aufstoßen, gerade weil die „Der Hobbit“-Verfilmungen denselben Fehler begingen und schon den Trailern attestiert wurde die Vorlage nicht ernst genug zu nehmen. Hier sei aber nochmal erwähnt, dass die Geschichte sich zwar an Tolkien orientiert, seine Ideen aber ebenso weiterspinnt. Das ist demnach auch die Erklärung dafür, dass Zwergenfrauen keine Bärte mehr tragen und Elben durchaus auch dunkelhäutig sein dürfen. Was vielen die Zornesröte ins Gesicht trieb, wird harmonisch implementiert und fällt beim Sehen gar nicht mehr auf. Viel Wind um nichts also. Doch eines sei gesagt: „Die Ringe der Macht“ muss es schaffen sich von seinen Fesseln zu befreien und die Intensität zeitnah zu steigern, ansonsten ergießt sich weiteres Wasser auf die Mühlen derer, die die Serie schon im Vorfeld abgeschrieben haben. Man darf gespannt sein wohin die Reise geht. Nächsten Freitag sind wir alle wieder ein Stück schlauer.

Fazit

Inszenatorisch über jeden Zweifel erhaben ist der Start von „Die Ringe der Macht“ ein gelungener, jedoch auch mutloser Einstieg in die acht Folgen der ersten Staffel, der Anhänger der Filmtrilogie vielleicht verschrecken könnte. Andererseits lässt sich die einmalige Chance erkennen das Interesse des jüngeren Publikums zu erwecken, welches durch die Serie in den Stoff eintauchen kann. Wenn es dem Drehbuch gelingt die Spannung sukzessive zu erhöhen und erste „echte“ Highlights zu liefern, hat die Serie durchaus das Potenzial über Jahre hinweg zur Speerspitze aufzuschließen. Verweilt sie weiterhin im sicheren Fahrwasser, läuft sie aber Gefahr in der Hitze von Mordor zu verglühen und gleichzeitig Unmengen an Budget zu verbrennen.

Bewertung

Folge 1: 78/100

Bewertung: 8 von 10.

Folge 2: 64/100  

Bewertung: 6 von 10.

Bilder: ©Amazon Prime Video

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