Nachdem Harvey Weinstein schlussendlich zu 23 Jahren Haft verurteilt wurde, scheint das Thema „Me Too“ für viele abgeschlossen zu sein. Maria Schrader erinnert mit ihrem neuen Film daran, dass Gespräche über Sexismus und sexuelle Belästigung durchaus weitergeführt werden sollten und bringt hierfür die Geschichte des New York Times – Artikels auf die Leinwand, der den Stein ins Rollen gebracht hatte und Weinstein schließlich unter sich begrub. „She Said“ ist ab heute im Kino zu sehen.

von Natascha Jurácsik

Die New York Times – Journalistin Megan Twohey (Carey Mulligan) veröffentlicht einen Artikel über sexueller Belästigung, die dem damaligen Kandidaten Donald Trump vorgeworfen wird, doch nachdem der Republikaner trotz weltweiter Empörung über diese (und viele andere) Vorfälle 2016 zum US-Präsidenten gewählt wird, zieht sich Twohey zurück, um sich auf ihr Privatleben zu konzentrieren. Währenddessen arbeitet ihre Kollegin Jodi Kantor (Zoe Kazan) an einem ähnlichen Exposé zu Filmproduzent Harvey Weinstein, nachdem sie von mehreren Schauspielerinnen gehört hat, er habe sie belästigt und sogar vergewaltigt. Schnell wird klar, dass mehr hinter dieser Geschichte steckt, als Kantor zunächst annahm und sie bittet Twohey nach ihrer Rückkehr mit ihr an dieser Story zu arbeiten. Zusammen verfassen sie den Artikel, der die „Me Too“-Bewegung zu einem globalen Phänomen machte.

Ähnlich wie Spielbergs „The Post“ handelt es sich auch bei „She Said“ um einen Film über investigativen Journalismus mit einer faszinierenden Story, einem sehr guten Cast – und einer gewissen Monotonie. Zwar kann der ständige Zufluss an neuen Informationen und die Spannung, die mit Geschichten dieser Art einhergeht, die Aufmerksamkeit des Publikums aufrechterhalten, aber dennoch wirkt die Handlung nach dem ersten Drittel etwas repetitiv. Die Einblicke in das Privatleben der beiden Protagonistinnen bieten hierzu immer wieder Abwechslung und lassen die Figuren realer wirken, auch wenn sie im Grunde nicht viel zur eigentlichen Handlung beitragen.

Diese kurzen Momente abseits des Journalismus-Dramas werden auch einigen der hier dargestellten Opfer Weinsteins gewährt: Ob als Jugendliche mit Freunden tanzend oder später beim Familienabend auf dem Sofa sitzend – Drehbuchautorin Rebecca Lenkiewicz liegt offensichtlich viel daran, den Frauen, die man sonst nur aus Schlagzeilen kennt, Menschlichkeit zu verleihen. An manchen Stellen lauert dabei die Gefahr der Sentimentalität, aber ins Melodrama driftet die Darstellung nie wirklich ab. Eventuell hätte man diese Szenen reduzieren können; doch gerade für diese Vermenschlichung der Opfer wurde beispielsweise die Serie „Monster: Die Geschichte von Jeffrey Dahmer“ von vielen gelobt. Im Großen und Ganzen sind diese Unterbrechungen der Hauptgeschichte aber gelungen.

Visuell ist „She Said“ jedenfalls ein Erfolg: Eine Kombination aus minimalistischer, sauberer Ästhetik und einzelnen Bildern, die teils wie Gemälde von Edward Hopper wirken. Die Kameraführung ist genaustens an die jeweilige Stimmung des Gezeigten angepasst, wobei sie nicht im Dienste des Realismus in den Hintergrund verschwindet, sondern zwischen dem subjektiven Blick der Akteure und dem objektiven Blick der Außenwelt wechselt und hierdurch die Zuschauer daran erinnert, dass die Geschehnisse auf der Leinwand einen weitaus größeren Einfluss auf die Allgemeinheit hatten, als der Fokus auf narrative Einzelheiten zeigt. Dies wird auch dadurch verstärkt, dass Regisseurin Schrader immer wieder mit den Erwartungen des Publikums, was Alltagssexismus angeht, spielt.

Fazit

Ein wichtiger Moment der kontemporären Frauenrechtsbewegung – „She Said“ ist ein Journalismus-Drama, welches trotz kleinerer Drehbuch-Schwächen überzeugt. Optisch hervorragend gestaltet und mit einem sehr guten Cast bringt der Film die komplexe Geschichte über die Rolle der New York Times im Fall Harvey Weinstein auf interessante Weise und mit viel Empathie auf die Leinwand.

Bewertung

Bewertung: 7 von 10.

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Bild: (c) UPI