Matt Charman widmet sich auch mit seinem neuen Netflix-Projekt Geheimdienst-Intrigen und Spionage-Geschichten: „Treason“ begleitet „Daredevil“-Darsteller Charlie Cox bei einem tödlichen Katz-und-Maus-Spiel durch das verstrickte Netz des MI6. Ob der fünfteilige Thriller mit britischem Flair so überzeugen kann wie die Erfolgsserie „Bodyguard“ bleibt allerdings fraglich.

Von Natascha Jurácsik

Als das Oberhaupt des britischen Geheimdienstes Sir Martin Angelis (Ciarán Hinds) von einer ehemaligen russischen Agentin außer Gefecht gesetzt wird, übernimmt sein Stellvertreter Adam Lawrence (Charlie Cox) die Führung des MI6. Doch sobald sich die Täterin als seine Ex-Geliebte Kara (Olga Kurylenko) entpuppt, die ein vor Jahren stattgefundenes Verbrechen aufklären will und dafür Hilfe braucht, erfährt Adam mehr über seinen Mentor und Vorgesetzten, als er je vermutet hätte – und wird anschließend gejagt.

Dem Zuschauer wird keine Minute gelassen, um sich mit dem Setting, den Figuren oder auch nur der Prämisse wirklich vertraut zu machen, bevor die Handlung auch schon voll im Gange ist – hierdurch wirkt das Tempo etwas übereilt, die rapide aufeinanderfolgenden Informationswellen chaotisch und die Geschichte in einigen Folgen geradezu unübersichtlich. Trotz einer interessanten Story leidet unter diesem hastigen Drehbuch vor allem die Spannung, da es keine ruhigen Momente gibt, auf denen sie aufbauen kann; zusätzlich wird sie an manchen Stellen von der Verwirrung des Publikums, bezüglich der verworrenen Handlungsstränge, abgelöst, wodurch man sich nie ganz auf das Gezeigte einlassen kann. Allerdings wird die Staffel zum Ende hin deutlich stärker und korrigiert in den letzten Folgen nicht nur das Tempo, sondern gibt dem Plot einen klareren Fokus.

Schauspielerisch sind die Leistungen sämtlicher Beteiligter absolut vertretbar, wobei Charlie Cox eindeutig Erfahrung aus seinen Tagen als „Daredevil“ mitbringt. Auch Olga Kurylenko darf nach ihrer eher zurückgenommenen Rolle in „Black Widow“ mal zeigen, was sie kann: Als Geheimagentin ohne nationale Loyalitäten und einem Verlangen nach Gerechtigkeit lässt sie sowohl Stärke und Abgebrühtheit als auch eine gewisse Verwundbarkeit in den Charakter der Kara miteinfließen und balanciert dies gekonnt aus. Kollegin Oona Chaplin überrascht als Adams eifersüchtige Ehefrau Maddy ebenfalls in den letzten Folgen, indem sie in die Rolle einer abgehärteten Rächerin mit einer Vergangenheit beim Militär hineinwächst. Dennoch fällt auf, dass die einzelnen Motivationen aller Figuren überwiegend emotional, teils sogar oberflächlich sind und sie trotz starker Momente zweidimensional wirken.

Visuell ist die Serie ebenfalls gelungen, wenn auch nicht auffällig gut. Die Kamera fängt auf subtile Art den Gefühlszustand der jeweiligen Charaktere ein, die gedämpften Farben, komplett mit typisch britischem bewölktem Himmel, unterstreichen die Atmosphäre – die Mise-en-scene erfüllt ihren Zweck, ohne das Rad neu zu erfinden. Der Soundtrack lässt allerdings deutlich zu wünschen übrig: so minimalistisch, dass er praktisch unhörbar ist, schleicht er sich von einer Szene zur nächsten; nur in den spannenderen Momenten ertönt plötzlich die Action-Sirene, die man aus Trailern von Michael Bay Filmen gewohnt ist. Etwas mehr Mühe hätte in diesem Bereich sicherlich nicht geschadet.

Fazit

Ein Thriller mit nur halben Thrills: „Treason“ ist für eine Netflix-Produktion gelungen und als Geheimdienst-Serie durchaus zufriedenstellend – mehr aber auch nicht. So ganz haben die Macher das Prinzip der Spannung nicht verstanden, wodurch die erste Staffel trotz einer Geschichte mit viel Potenzial weder besonders positiv noch besonders negativ auffällt. „OK“ ist wohl der passendste Begriff für Matt Charmans neuestes Werk; ob das für eine zweite Staffel reicht, wird sich zeigen.

Bewertung

Bewertung: 6 von 10.

(55/100)

Bild: (c) Netflix