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„Holy Spider“ – Kritik zum Kinostart

Regisseur Ali Abbasi ließ sich für seinen politisch-geladenen Thriller vom wahren Fall des Serientäters Saeed Hanaei, der 2002 für den Mord an 16 Frauen hingerichtet wurde, inspirieren. Doch wer eine geschmacklose True-Crime-Adaption erwartet, täuscht sich: „Holy Spider“ setzt auf den Realismus, um mit einer bedrückenden Atmosphäre langsam eine Spannung aufzubauen, die zum Ende hin kaum noch auszuhalten ist.

von Natascha Jurácsik

Die junge Journalistin Rahimi begibt sich in das zwielichtige Nachtleben der iranischen Stadt Mashhad, um sich mit den Morden an mehreren Prostituierten zu befassen, an deren Aufklärung die Autoritäten anscheinend nur wenig Interesse haben. Der Fall sorgt mit seinen religiösen Implikationen für eine Spaltung der Gemüter, doch Rahimi ist entschlossen ihn ans Licht zu bringen – auch, wenn sie sich selbst in Gefahr begibt.

Zar Amir-Ebrahimi (Rahimi) glänzt in der Hauptrolle und dominiert jede Szene, in der sie zu sehen ist; sie verleiht der Protagonistin eine ruhige, innere Stärke, die sich in ihrer Verbissenheit als Journalistin zeigt, offenbart zusätzlich jedoch als Frau in einer von Männern und strengen Regeln dominierten Welt eine verletzliche Ebene, wodurch man als Zuschauer in heiklen Situationen stets um sie bangt. Doch auch ihr Kollege Mehdi Bajestani (Saeed) hält das Publikum mit seiner Darstellung des Hauptantagonisten im Bann und verleiht der Figur eine Tiefe, die für zahlreiche Gänsehautmomente sorgt.

Als Thriller mit Fokus auf das Innenleben der Charaktere ist die Handlung trotz solch gelungener Darstellungen zwischendurch zwar etwas träge, hält die Spannung jedoch durchgehend aufrecht, indem die Kamera unnachgiebig jedes unangenehme Detail der Geschichte einfängt und einigen Alltagsaufnahmen gegenüberstellt, um die gesellschaftliche Bedeutung der Handlung zu implizieren. Dennoch ist der erste Akt etwas zu lang, wobei diese Zeit beim Eintauchen in die politische Ebene des Geschehens besser angelegt wäre. Der Realismus und die Balance zwischen der Psychologie einzelner Figuren und den weiterreichenden Aspekten sind dafür sehr treffend eingefangen, wodurch auch bei den überflüssigen Minuten keine echte Langeweile entsteht.

Hervorzuheben ist auch, dass der Film zwar eindeutige sozio-politische Inhalte aufweist, die Geschichte selbst jedoch stets im Mittelpunkt steht. Und auch wenn man „Holy Spider“ im Bezug auf moralische Andeutungen nicht als vollkommen neutral bezeichnen kann, wird hier keineswegs auf der Leinwand politisiert oder gar gepredigt.

Fazit

„Holy Spider“ ist dank eines starken Drehbuchs, packender Bilder und fantastischer Schauspieler ein nuancierter und bewegender Film. Abbasi legt dem internationalen Publikum eine Unterwelt offen, die so nur selten thematisiert wird und schafft es tiefgängige Aussagen zu treffen ohne den Gebrauch von Melodramatik – dieses Werk sollte man trotz kleinerer Mängel nicht verpassen. Ab dem 12. Januar im Kino!

Bewertung

Bewertung: 7 von 10.

(71/100)

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