Der 4. Staffel der Netflix-Thriller-Serie „YOU“ sahen sicher viele Menschen mit einer gehörigen Portion Skepsis entgegen. Immerhin lief die Serie nach ihrer dritten Staffel Gefahr, zu repetitiv zu werden, die immer gleiche Formel zu recyceln. Es brauchte also ein neues Konzept, das sich nicht alleine dadurch auszeichnet, dass man die US-amerikanische Kulisse nun gegen ein europäisches Setting austauscht. Anstatt nämlich wie zuletzt durch ein reiches Vorstadtviertel im sonnigen Los Angeles zu spazieren, mischt sich Hauptcharakter Joe Goldberg, nun mit einer neuen Identität als Universitätsprofessor, unter die Reichen und Schönen der Londoner High Society.
von Lena Wasserburger
Achtung: Spoiler!
Im ersten Teil der 4.Staffel, seit 9.2. auf Netflix zu sehen, hat Joe seinem Leben als Stalker und Killer den Rücken gekehrt. Endgültig dieses Mal, beteuert er. Doch ehe er sich versieht, ist Joes bis eben noch weiße Weste schon wieder mit Blut befleckt, und das, obwohl er es in diesem Fall nicht selbst vergossen hat. Ein mysteriöser Killer ist Joes wahrer Identität auf der Spur und plötzlich findet sich Joe in einer wahren Murder-Mystery wieder, in der jede Person der nächste Täter oder das nächste Opfer sein könnte.
Es ist kein Zufall, dass Literaturliebhaber Joe sich in der 4.Staffel gerade den Büchern der „Murder-Mystery“-Königin Agatha Christie zuwendet. Die Macher der Serie brechen mit der ursprünglichen Serienformel, indem sie Joe als Detektiv in eine klassische „Whodunit“-Geschichte eintauchen lassen. Es mag einfach nur unglückliches Timing sein, doch zunächst erinnert die Prämisse der 4. Staffel sehr an einen erst kürzlich erschienenen Film desselben Genres: „Glass Onion“. Auch „YOU“ übt Kritik am Exzess der Reichen und versammelt eine Gruppe wohlhabender und mal mehr, mal weniger (vor allem weniger) sympathischer Charaktere um einen einzelnen Außenseiter (Joe), an dem es nun liegt, die komplizierten Beziehungen und wahren Gesichter seiner neuen „Freunde“ zu enthüllen. Dass es sich bei diesem Außenseiter nun um einen Serienkiller wie Joe handelt, verleiht der Geschichte allerdings eine etwas ungewöhnlichere Perspektive.
Es ist nach wie vor faszinierend, Joes Charakterentwicklung zu verfolgen. Es ist aber wohl anzunehmen, dass „YOU“ ohne Penn Badgleys Darstellung nicht dieselbe Popularität genießen würden, wie es die Serie nun tut. Der Großteil von Badgleys Performance findet allerdings per Voice Acting statt. Dass Joe in vielen Dialogszenen mehr starrt als spricht, fällt gerade in dieser Staffel auf, doch man kann Penn Badgley durchaus dafür loben, dass er alleine mit seiner Mimik ein breites Spektrum an Emotionen vermitteln kann.
Auch, wenn man darüber streiten kann, ob die Serie im Laufe der Staffeln an inhaltlicher Qualität verloren hat – auf technischer Ebene hat man es doch immerhin mit einem annähernd gleichbleibenden Niveau zu tun. Set-Design und Bilder sind schön anzusehen, stechen jedoch nicht hervor und der Soundtrack bedient sich in dieser Staffel zwar keiner Charthits, orientiert sich allerdings weiterhin überwiegend am Pop-Genre. Wenn dann doch einige Male ein Ausflug in ein anderes Genre stattfindet, ist es eine willkommene Abwechslung.
Eines steht jedenfalls fest: Die Macher der Serie wissen, wie sie Spannung aufbauen und das Tempo der Story richtig ankurbeln, doch die eigentliche Auflösung des Rätsels kommt eher mäßig überraschend daher. Aber es ist ja auch erst Teil 1 der Staffel, Luft nach oben ist in dieser Hinsicht also auch noch.
Fazit
Wer bisher Fan der Show war, wird sich auch von dieser Staffel unterhalten fühlen, obwohl „YOU“ keine „Monster of the Week“-Show mehr ist und sich darum bemüht, die Handlung etwas abwechslungsreicher zu gestalten. Es wurde bereits ein Trailer zur zweiten Hälfte der Staffel veröffentlicht und allem Anschein nach dürfte es noch spannend werden. Es bleibt abzuwarten, ob Staffel 4, Teil 2 an Qualität zulegt oder es schließlich doch nicht über „Fazit: durchschnittlich“ hinausschafft.
Bewertung
(71/100)
Bild: (c) Netflix