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„Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war“ – Kritik zum Kinostart

Wenn in scheinbarer Endlosschleife der eine den Sand in die Schubkarre schaufelt, nur damit der andere sie im gleichen Moment wieder entleert. Wenn der Junge mit der Spielzeugpistole protestiert, weil man gerade keine Zeit hat zum Sterben. Wenn der rosa Kaugummi vom nächsten Laternenmast auf Genießbarkeit getestet und ein trockener Meisenknödel auf Geschmack geprüft ist und man hinter einer halb gestutzten Hecke auch noch einen Toten gefunden hat, zu dem einem die Mutter auch noch beglückwünscht. Dann könnte das alles aus dem nächstbesten Cartoon stammen, in „Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war“ ist das allerdings ein Tag wie fast jeder andere.

von Madeleine Eger

Auf dem Klinikgelände einer Psychiatrie aufzuwachsen, dessen Direktor der eigene Vater ist, ist weit entfernt von den klassischen Vorstellungen eines Familienlebens. Für Joachim (Arsseni Bultmann), von allen nur „Josse“ genannt und seine beiden älteren Brüder ist das das etwas andere Aufwachsen im Schleswig Holstein der 70er-Jahre. Während sich Mutter Iris (Laura Tonke) noch sehnsüchtig mit Aquarellmalerei in laue italienische Sommernächte träumt, ist Vater Richard (Devid Striesow) mit seiner nicht ganz so geheimen Affäre bereits auf neuen Pfaden unterwegs. Ein wackeliges Familiengefüge, in dem Josse als Nesthäkchen von seinen beiden Brüdern auch einige Sticheleien einstecken muss. Trost spenden ihm oft die Patient*innen, von denen viele schon fast zur Familie gehören. Als die Jahre vergehen und Josse langsam erwachsen wird, die erste Liebe findet, ihn Schicksalsschläge erschüttern und er sich im Austauschjahr seine Selbstständigkeit erkämpft, ist es am Ende doch wieder seine besondere Familie, zu der es ihn zurückzieht.

„Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war“ basiert auf dem gleichnamigen, autobiografischen Roman von Autor Joachim Meyerhoff. Regisseurin Sonja Heiss, die nach „Hotel Very Welcome“ und „Hedi Schneider steckt fest“ bereits zum dritten Mal eine Premiere auf der Berlinale feiert, inszeniert ein Komödiendrama, das von einem Alltag erzählt, der irgendwie anders und doch ganz normal ist. Eine wunderbar besondere Normalität und tiefe Selbstverständlichkeit des Andersartigen existiert in „Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war“, die Sonja Heiss fabelhaft über Bilder aus unaufdringlicher Skurrilität transportiert. Die Lebensabschnitte von Josse markieren dabei die drei Kapitel, in denen der Film die familiären Höhen und Tiefen durchläuft. Zunächst schließen wir uns dem Siebenjährigen an (gespielt von Camille Loup Moltzen) und entdecken durch die neugierigen Kinderaugen das elterliche Zuhause, bei dem selbst der Schulweg schon zum kleinen Abenteuer wird. Mit ihm bewegen wir uns in einer Kulisse, die oft wie eine wohlige Fantasiewelt, ein ereignisreicher Spielplatz zur Entdeckung des Lebens oder auch wie ein tröstender Dämmerschlaftraum wirkt. Eine Eigentümlichkeit, die dennoch stets von der Realität umarmt wird. Und selbst wenn es mal nicht so glatt läuft und die tosende Wut aus Josse herausbricht, gibt es als Gegenmittel immer noch die alte Waschmaschine im Keller. Die rüttelt den Jungen zur Besinnung, während die Eltern geduldig, aber auch etwas ratlos daneben stehen und sich fragen, ob das „auch irgendwann mal weggeht“. Und dann gibt es da auch noch die Schultern eines hochgewachsenen Patienten, die Josse aufmunternd über die Wiesen tragen, wenn ihn doch mal die Traurigkeit plagt. Es ist das fantastische Zusammenspiel aus komischer Absurdität und dieser beruhigend geerdeten Realität, die das Ganze zwar bei Weitem nicht krisenfest macht, aber die Familie vehement zusammenhält.

Inmitten von Sehnsüchten der Mutter nach italienischen Sommernächten, der Heimlichtuerei des Vaters um eine neue Liebe, Sticheleien der Geschwister und den nahestehenden, oft unverblümt direkten Klinikpatienten entwickelt sich das Herzstück des Films. Wir lernen ein Familiengefüge kennen, das manchmal urkomisch, häufig herzlich, aber manchmal auch emotional beherrscht Probleme versteckt. Das Teenageralter von Josse wird dann die Zeit des Umbruchs, des Aufbruchs und der Vergänglichkeit markieren. Ein Lebensabschnitt, in dem vieles bewusster und mit neuem Blickwinkel wahrgenommen wird. So auch die erste Liebe, ein handfester Ehekrach der Eltern und der Verlust geliebter Familienmitglieder. Josse stellt zunehmend fest, wie sehr man sich an Wunschvorstellungen klammerte und die Vergangenheit romantisiert, um ein harmonisches Bild in Erinnerung zu behalten, das es in der Form nie gegeben hat. Die immer größer werdende Entfernung der schon am Anfang getrennten elterlichen Betten wird für Josse schließlich zum Sinnbild für das, was ihm als Kind noch verborgen blieb und sich mit den Jahren nun vor seinen Augen manifestiert. Neben dieser berührenden wie mitreißenden Geschichte, die mit Leichtigkeit die gesamte Palette eines besonderen familiären Zusammenlebens porträtiert, ist besonders die Besetzung bemerkenswert für „Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war“. Laura Tonke und Devid Streisow in Bestform entwickeln mit den je nach Altersgruppe wechselnden Darstellern eine spürbar warme und zarte Chemie, die ansteckend ist und uns mitten ins Geschehen eintauchen lässt.

Fazit

Die Transition über drei Jahrzehnte hinweg von leichtfüßiger Familienkomödie zum Drama, das voller Hoffnung steckt und sich mit unbefangener Natürlichkeit auch mit dem Tod auseinandersetzt, gelingt in „Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war“ auf großartige Weise. Gepaart mit einem aussagekräftigen Soundtrack aus unverbraucht lebendigen Songs, einem Szenenbild, das die 70er subtil wieder aufleben lässt und einem großartig aufgelegten, charmanten Schauspielensemble machen Josses Coming-of-Age Geschichte zu einem ganz besonderen und wertvollen Film.

Bewertung

Bewertung: 8 von 10.

(83/100)

Bilder: ©Warner Bros.

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