28 Jahre ist es nun her, als Mel Gibson einen der heute wohl popkulturell relevantesten Historienfilme kreierte. Noch immer erfreut sich “Braveheart” großer Beliebtheit und gewann seinerzeit immerhin fünf Oscars, unter anderem als “Bester Film”. Gleichzeitig gibt es nur wenige Filme, die es mit historischer Genauigkeit so ungenau nehmen. Man könnte auch sagen: “Braveheart” erfreut die Filmfans und ist der Albtraum der Historiker. Mel Gibson gab in der Vergangenheit bereits zu, dass Fakten in der Entwicklung von “Braveheart” nicht von besonderer Relevanz für ihn waren. Ihm ging es alleine um das “Kinoerlebnis”. Ein solches hat er ohne Zweifel geschaffen.
von Lena Wasserburger
Der Anblick eines in einen Kilt gekleideten, langhaarigen Mel Gibson, der mit einem blau geschminkten Gesicht voller Leidenschaft seine Männer in den Kampf führt, lässt das Herz vieler Film- und Schottland-Fans höher schlagen. So ikonisch dieser Filmmoment auch ist – er ist pure Fantasie. Aber nicht nur an dieser Stelle ließ Mel Gibson seiner Kreativität freien Lauf: Fiktion ist nun einmal oft spannender und bei weitem nicht so kompliziert wie die Wahrheit.
“Braveheart” erzählt die Geschichte des schottischen Widerstandskämpfers William Wallace, der im 13. Jahrhundert in einer Rebellion gegen die englische Krone für die Unabhängigkeit Schottlands kämpfte. So viel stimmt erst einmal. Aber im Titel des Filmes steckt der erste kleine Fehler. Denn “Braveheart”, das “mutige Herz” beschrieb in der Geschichte der schottischen Unabhängigkeit nicht Wallace, sondern vielmehr Robert the Bruce, der im Film zwar ebenfalls auftritt, doch nicht im Ansatz so heroisch erscheint wie Wallace. Mel Gibson aka William Wallace ist nämlich der amerikanisierte Action-Held schlechthin, nur dass er in diesem Fall natürlich Kilt und Gesichtsbemalung trägt. Das Outfit, heute “das Bild” des schottischen Kriegers, hat es aber so nie gegeben. Kilts wurden erst 300 Jahre später erfunden. Und die blaue Farbe? Die war zu Lebzeiten von William Wallace längst out.
Wer an “Braveheart” denkt, denkt zweifellos an die Schlacht, die von CNN tatsächlich auf die Liste der besten Filmschlachten aller Zeiten gesetzt wurde. Die aufwendig inszenierte (reale) Schlacht von “Stirling Bridge” hat für einen Film der 90er Jahre alles, was Spezialeffekte möglich machen konnten, inklusive Feuer und mechanischer Pferdeattrappen. Nur eine Sache fehlt: Die Brücke. Auf die “Stirling Bridge” wird in der Filmschlacht nämlich verzichtet. Angeblich versprach Mel Gibson jedem, der den Unterschied zwischen den Fake-Pferden und echten Tieren erkannte, 50 Dollar. Die Brücke war Gibson den Aufwand und das Geld allerdings scheinbar nicht wert.
Zuletzt wäre da noch die Affäre zwischen William Wallace und Prinzessin Isabelle von Frankreich. Romantisch inszeniert, jedoch historisch unwahrscheinlich. Darstellerin Sophie Marceau war zum Zeitpunkt der Dreharbeiten zwar bereits Ende Zwanzig, die richtige Isabelle dürfte aber gerade einmal neun Jahre alt gewesen sein, als Wallace hingerichtet wurde. Eine leidenschaftliche Liebesgeschichte ist in dieser Hinsicht also unwahrscheinlich. Oder sehr verstörend.
Doch so sehr Gibson die Realität auch verzerrt, “Braveheart” ist und bleibt ein Kinoabenteuer wie es im Buche steht. Als Dokumentation wäre der Film ziemlich sicher gescheitert, doch als Spielfilm und “modernes Märchen” ist er aus der Kino- und Oscargeschichte nicht mehr wegzudenken. Da mögen noch so viele Artikel – wie dieser hier – erscheinen.
Weiterlesen:
Casablanca – Mehr als nur ein Film
Der Fortschrittsmythos in “Titanic”
Bildquelle: imgbin