Dass die journalistische Aufarbeitung faktenbasierter Stoffe durchaus spannend und vielschichtig inszeniert werden kann, hat „She said“ noch vor wenigen Monaten eindrucksvoll aufgezeigt. Gerade die sehr persönliche Herangehensweise bietet Räume dafür auch abseits der Geschehnisse zu erzählen und die Menschen in den Vordergrund zu rücken, die nicht zwingend persönlich, aber durch ihre Arbeit tief in die Materie eintauchen müssen. Auch der oscarprämierte „Spotlight“ hat gezeigt wie das geht. Mit „Boston Strangler“ begibt sich nun eine Disney-Produktion auf ebenjenes Terrain, zurück in das Massachusetts der 60er Jahre, auf die Spur des berüchtigten Würgers von Boston.

von Cliff Lina

Aufgenommen hat die Spur aber nicht – oder nicht nur – die Polizei, sondern insbesondere eine unterforderte Reporterin, die sich, trotz moderatem Interesse der Öffentlichkeit, an die Fersen eines vermeintlichen Serienmörders heftet. Die neuesten Haushaltsprodukte muss fortan jemand anderes analysieren, doch es ist nicht nur die fehlende Erfahrung, die Loretta McLaughlins Arbeit erschwert. Es ist vor allem das einhellige Frauenbild, das die damalige Zeit prägte. Als die Berichte jedoch immer mehr Staub aufwirbeln und auch der Bevölkerung die Tragweite der Mordserie bewusst wird, rückt die Reporterin immer mehr in den Fokus. Auch in den des Mörders selbst.

Mit Keira Knightley hat Regisseur Matt Ruskin die perfekte Besetzung gefunden. Knightley versteht sich sowohl darauf den eigenen Ehrgeiz zu zeigen als auch in den Momenten zu überzeugen, in denen sie auf Widerstände stößt. Sei es, wenn der eigene Chef ihr die erfolgreiche Arbeit nicht zutraut oder auch, wenn der eigene Ehemann ihr vor Augen hält wie sehr die Recherche das Privatleben vereinnahmt. Je weiter McLaughlin mit ihrer Informationsbeschaffung voran stößt, umso weniger Zeit bleibt für die Familie. Schade, dass der Film hier irgendwann stagniert und nicht noch expliziter auf die Auswirkungen eingeht. Gerade weil „Boston Strangler“ fernab jedweder Gewaltphantasien wandelt und eher stoisch über Morde und Opfer berichtet, hätte Ruskin die Gelegenheit gehabt die psychischen Effekte auf Person, Alltag und Beziehung noch schärfer zu umreißen. Stattdessen gibt sich das Werk damit zufrieden lediglich über vereinzelte Dialoge zu berichten wie der Fall auch das Privatleben einengt, bis gegen Ende gar nicht mehr darauf eingegangen wird.

Was sich bei der Figurenzeichnung als ein wenig hinderlich erweist, trägt jedoch gekonnt zur generellen Atmosphäre bei. „Boston Strangler“ findet einen Mittelweg zwischen journalistisch akkurater Berichterstattung und der Verbildlichung der damaligen Geschehnisse. In puncto Gewalt zeigt der Film dabei nur das, was er zwingend zeigen muss. Das meiste passiert außerhalb der Kamera, lässt sich hauptsächlich akustisch wahrnehmen und fügt sich damit gut in das Gesamtkonstrukt. So kommen sowohl die Fans auf ihre Kosten, die sich generell für die Thematik interessieren als auch vorsichtige Interessenten, denen es vor brutalen Szenen graut. Es braucht nicht immer blutige Ausbrüche um eine Mordserie eindringlich zu intonieren. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass der Würger von Boston damit stellenweise ein wenig harmlos wirkt, gerade im Vergleich zu ähnlichen Tätern – was inhaltlich natürlich ein schwieriger Gedanke ist, da die bewusste Beendigung eines fremden Lebens immer zu verurteilen und immer ein massiver Einschnitt in das Leben der Hinterbliebenen ist. Unabhängig der Umstände. Insgesamt schafft es Ruskin aber zu selten genau die Tragweite greifbar zu machen, und kann den eingangs genannten Filmen somit nicht das Wasser reichen.

Fazit

Konträr zur behandelten Mordserie schnürt “Boston Strangler” seiner Zuschauerschaft nur selten die Luft ab. Dafür ist die Erzählweise zu nüchtern, stoisch und distanziert, sodass der True-Crime-Thriller mit Spannungsmomenten geizt und sich wie eine verkappte Biographie anfühlt. Der Fokus auf den von Vorurteilen geprägten Investigativ-Journalismus wirkt dabei letztlich eher wie ein Hindernis, obgleich dieser schauspielerisch exzellent umgesetzt wurde.

Bewertung

Bewertung: 5 von 10.

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Bilder: ©20th Century Studios