35 Jahre nach David Cronenbergs Psychohorror bringt Alice Birch ihre eigene Version auf die Leinwand – in Form einer sechsteiligen Mini-Serie. Dabei handelt es sich aber keineswegs um eine identische Kopie des Originals. Und das nicht nur, weil anstatt Jeremy Irons nun Rachel Weisz in doppelter Ausführung zu bewundern ist. “Dead Ringers” ist seit 21.4. auf Amazon Prime Video zu sehen.
von Christoph Brodnjak
Handlung von “Dead Ringers”
Beverly und Elliot sind zwei identische Zwillinge. Die beiden Unzertrennlichen verbindet aber nicht nur das Blut. Sie arbeiten gemeinsam als Gynäkologinnen im städtischen Krankenhaus. Die Geburt fasziniert sie beide, sie träumen davon, ihre eigene Klinik, ein eigenes Labor auf die Beine zu stellen, um das Wunder der Geburt in eine neue Phase der Wissenschaft zu führen. Ansonsten könnten die Schwestern kaum unterschiedlicher sein: Die eine ist eine Draufgängerin, oftmals vorlaut, ohne Scheu und mit einer gesunden Libido. Auch das Näschen wird des öfteren mal heimlich am Klo gepudert. Die andere dagegen scheint verschlossen, ist lesbisch und mit einem innigen Kinderwunsch ausgestattet. Doch es soll scheinbar nicht sein. Trotzdem sind Beverly und Elliot ein eingespieltes Team. So tauschen sie ab und an mühelos die Rollen, wenn die eine von gewissen Patienten genervt ist, oder gar, um die jeweils andere zu verkuppeln.
Kritik zu Folge 1
Wer David Cronenberg generell und den Originalfilm “Dead Ringers” im Speziellen kennt, wird mit gewissen Erwartungen an diese Serie herangehen. Eine idente Replikation darf man aber nicht erwarten. Zumindest in der ersten Folge wirkt alles sehr klinisch und beinahe wie ein in der Realität verankertes Spitalsdrama. Der Alltag der Gynäkologinnen mit allfälligen Geburten, die mal gut, mal schlecht ausgehen, wird keineswegs als Horror inszeniert, sondern beinahe dokumentarisch als Alltag mit all seinen Höhen und Tiefen. Was unter anderem damit zu tun hat, Rachel Weisz in der Hauptrolle zu casten. Die Entscheidung, die männlichen Zwillinge zu weiblichen umzuschreiben, ist wohl überlegt. “Dead Ringers” offenbart definitiv von vorn bis hinten eine sehr weiblich geprägte Herangehensweise, von den Hauptrollen angefangen, über die Produktion und Drehbuchautorin bis hin zur Thematik: Geburt. Auf diese Art ist es sehr faszinierend, zu sehen, welchen Unterschied 35 Jahre und ein anderer Blickwinkel auf denselben Stoff bewirken können.
Folge 1 beginnt also erst mit Realismus: Klinische Abläufe im Spital, mal mit dramatischen Entwicklungen, dazu viele zwischenmenschliche Konflikte und Emotionen. Man merkt allerdings schon bald, wie eine Aura des mystischen zwischen den Bildern und Szenen umherwandert, die sich sicherlich noch weiter verdichten wird, je weiter die Serie voranschreitet.
Fazit:
Rachel Weisz kann in ihrer Doppelrolle bisher absolut überzeugen, die beiden Schwestern sind zwei völlig eigenständige Menschen, und man vergisst immer wieder, dass sie in Wahrheit nur von einer einzelnen Person verkörpert werden. Wenn auch “Dead Ringers” zu Beginn nur wenig mit Science-Fiction kokettiert, wirkt sie dennoch wahnsinnig atmosphärisch und lässt am dramaturgischen Horizont schon gewisse Wendungen erahnen.
Rating (Folge 1):
75/100
Bild: (c) Amazon Studios