Nachdem er sich mit „Hereditary“ und „Midsommar“ als einer der interessantesten Jung-Regisseure des Horrorgenres etabliert hatte, kommt nun der dritte Spielfilm von Ari Aster ins Kino: In „Beau Is Afraid“ spielt Joaquin Phoenix einen Mann mit mehreren Angststörungen, der eine ziemlich komplizierte Beziehung zu seiner Mutter hat. Viel mehr kann man zum Inhalt nicht sagen, ohne wichtige Details zu verraten – aber Fans wissen, dass man sich auf Asters Filme ohnehin am besten ohne allzu viel Vorwissen einlässt.

Von Natascha Jurácsik

Beau (Phoenix) lebt allein in einer von Kriminalität überfluteten Großstadt, die an das New York in Scorsese’s „Taxi Driver“ erinnert, nur extremer. Dieses höchst verstörende Umfeld verschlimmert seine zahlreichen Angstneurosen und sein Therapeut verschreibt ihm ein Medikament nach dem anderen, zuletzt eine neuartige, experimentelle Pille gegen Panik. Nachdem Beau den Flug verpasst, mit dem er seine Mutter besuchen sollte, und kurzdarauf die Nachricht erhält, dass sie verstorben sei, begibt er sich auf den Weg zu ihrem Begräbnis. Was folgt, ist eine surreale Odyssee voller Allegorien und Symbolismus, die teils verstörend ist.

Was als erstes auffällt ist das Budget: Aster hat mit dem Erfolg seiner vorherigen Filme anscheinend Wellen in Hollywood geschlagen, denn obwohl auch dieser Film vom Produktionsstudio A24 produziert wird, beschränkt sich die Handlung nicht mehr auf ein Setting mit einer feststehenden Gruppe von Figuren, sondern schickt ihren Protagonisten auf eine Reise, auf der er verschiedenen Menschen an verschiedenen Orten begegnet, wodurch „Beau Is Afraid“ sehr viel verdichteter wirkt. Die Produktionsqualität hat dadurch allerdings keineswegs abgenommen. Sie ist beeindruckend, mit vielen, aufmerksamst platzierten Details und einer offensichtlichen Vision, die Aster zu erfüllen suchte, was ihm durchaus gelungen ist. Optisch jedenfalls ist das Projekt höchst interessant und lädt zum mehrmaligen Schauen ein.

Wie in bislang allen Aster-Filmen leisten die Schauspieler hervorragende Arbeit. Joaquin Phoenix verkörpert den naiven, ängstlichen, sanftmütigen Beau mit einem unwahrscheinlichen Sinn für die nuancierte Darstellung eines Charakters, der tragisch und komisch zugleich. Seine Fähigkeiten erlauben es, die Rolle in absurden Momenten in schwarzen Humor zu tränken, ohne sie der Lächerlichkeit preiszugeben, wodurch das Publikum im Angesicht seiner Verzweiflung zwar hin und wieder lachen muss, sich allerdings sofort wieder soweit mit Beau identifiziert, dass ihm dieses kurze Kichern vergeht. Auch Phoenix‘ Kollegen bieten keinen Raum für ernstere Kritik; besonders Patti LuPone als manipulative Mutter jagt einem Schauer über den Rücken. Dies liegt selbstverständlich an den Talenten der Stars selbst, doch ohne ein starkes Drehbuch mit erstklassig konzipierten Dialogen könnten auch die besten Schauspieler nicht so viel aus ihren Rollen herausholen. Aster versteht es, die komplexen, unausgesprochenen Elemente menschlicher Beziehungen zu erkennen und in ein surreales Setting einzubauen, ohne dass sie ihren Realismusgehalt verlieren.

Doch tatsächlich ist es trotz all dieser Stärken schwer zu sagen, ob „Beau Is Afraid“ zu einem A24-Klassiker wird – dafür ist der Film schlicht und ergreifend zu merkwürdig. Zwar ist das Studio für abwegige, experimentelle Werke bekannt – und erfolgreich damit –, doch Zuschauer könnten schnell mit dem avantgardistischen Inhalt, der sogar an das Theater des Absurden erinnert, überfordert sein und den Kinosaal mit einem großen Fragezeichen verlassen. Andererseits regt dies zu eigenständigen Interpretationen an, was viele Film-Fans anzieht; zusätzlich ist Asters Streifen trotz aller Abwegigkeit schlicht und ergreifend unterhaltsam.

Fazit

Ari Aster stellt nicht nur Kinobesucher generell, sondern speziell seine eigenen Fans auf die Probe – mit „Beau Is Afraid“ schafft er eine ambitionierte, surrealistische Horror-Komödie, die ihn auf dem schmalen Grat zwischen Wahnsinn und Genie wandeln lässt. Wer Gefallen an unkonventionellen Filmen findet und sich dieser hervorragend produzierten Herausforderung stellen möchte, wird auf jeden Fall eine Leinwanderfahrung machen, die nur schwer zu vergessen ist. Ab 11.5. im Kino.

Bewertung

Bewertung: 8 von 10.

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