Live Action-Remakes beliebter Kinderfilme aus dem Hause Disney überfluten auch weiterhin die Kinos – nun ist auch „Die kleine Meerjungfrau“ an der Reihe: Mit einem diversifizierten Cast und fast einer Stunde zusätzlicher Spiellänge bringt das Studio mit der Maus ihre Version des Märchens von Hans Christian Andersen mit echten Menschen auf die Leinwand – doch bei der Menge an CGIs könnte man das Projekt im Grunde als Animationsfilm bezeichnen.

Von Natascha Jurácsik

Die meisten werden die Geschichte wohl kennen: Arielle, eine hübsche Meerjungfrau, sehnt sich nach der Welt der Menschen und verliebt sich sogar in einen. Doch als ihr Vater ihr klar macht, dass sie sich von der irdischen Oberfläche fernhalten soll, wendet sie sich verzweifelt an die böse Hexe Ursula, die ihr einen diabolischen Handel vorschlägt.

Ob man sich nun über Arielles neue Hautfarbe aufregen möchte oder nicht, man kann jedoch nicht bestreiten, dass Darstellerin Halle Bailey mit viel Motivation an ihre Rolle der wahrscheinlich bekanntesten Meeresbewohnerin herangegangen ist, und das Ergebnis lässt sich durchaus sehen. Statt zwanghaft zu versuchen, der Figur mehr psychologische Tiefe zu verleihen als sie braucht, belässt sie es bei einer märchenhaften, träumerischen Verkörperung und erweckt Arielle so zum Leben. Auch ihr Kollege Jonah Hauer-King verleiht Prinz Eric viel Charme und etwas mehr Facettenreichtum als seinem gezeichneten Original. Melissa McCarthy bietet als melodramatische Seehexe viel Unterhaltung – und mehr Gesangstalent als man vermutet. Auch die Synchronsprecher Daveed Diggs (Sebastian) und Jacob Tremblay (Flounder) liefern gute Performances ab, trotz des visuellen Handycaps ausdrucksloser Tiefseebewohner.

Und somit kommen wir auch zum größten Problem der Neuverfilmung von „Arielle, die Meerjungfrau“: CGI. Zwar hat Disney in den vergangenen drei bis vier Jahren definitiv schlechter animierte Streifen veröffentlicht, doch wenn ein Werk zu 90% aus CGI besteht, stellt sich eventuell die Frage, ob man nicht lieber ein animiertes Remake anstrebt. Mit „Real Life“ oder „Live Action“ hat dieses Spektakel nämlich nicht mehr viel zu tun und der verzweifelte Versuch, dennoch an „realistischen“ Darstellungen festzuhalten, funktioniert mehr schlecht als recht. Echte Fische, Krabben und Möwen haben nun einmal eine sehr beschränkte Mimik, wodurch viele der Eigenschaften, die man an den Figuren des Originals so mag, einfach verloren gehen. Das Ergebnis ist im schlimmsten Fall ein Abstecher in den „Gruselgraben“, besser bekannt unter dem englischen Begriff „Uncanny Valley“, was glücklicherweise bei „Arielle“ noch nicht der Fall war. Aber trotzdem wundert man sich teils, wie viel Sinn diese Adaptionen wirklich machen.

Ein mehr oder weniger rettendes Element – nebst der Musik und der Schauspielern – ist das Drehbuch, welches sich Großteils an die Originalfassung hält, mit der Ergänzung einiger Szenen, die Eric und seine Beziehung zu Arielle etwas zugänglicher machen. Zwar ist das ikonische Ende mit einem letzten Kampf gegen Ursula optisch etwas unübersichtlich und narrativ zu hastig, aber alles in allem wird die Geschichte kohärent und gelungen erzählt – wobei man selbstverständlich etwas Theatralik in Kauf nehmen muss.

Leider schwächelt das Skript im Mittelteil, als sich der Prinz und die stumme Meerjungfrau Arielle näherkommen: Bailey erhält hier nur sehr wenig, womit sie arbeiten kann, wodurch die Protagonistin dann doch einseitiger wirkt als ihr romantischer Partner. Mit etwas Geschick hätte man die Brücke ihrer temporären Schweigsamkeit überquert, ohne ihre Persönlichkeit zu minimieren. Auch wurden einige Entscheidungen zur Ausfüllung des Plots getroffen, die letztendlich unnötig und fehlgeleitet waren.

Fazit

Disney-Fans und Nostalgie-Junkies werden wohl auf ihre Kosten kommen, denn „Arielle, die Meerjungfrau“ ist zweifellos eine der besseren Neuadaptionen der letzten Jahre. Trotz einiger Schwächen und eines Looks, der eher an gelungene Videospiel-Grafiken erinnert, ist der Film unterhaltsam.

Bewertung

Bewertung: 6 von 10.

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Titelbild: © 2023 Disney Enterprises, Inc.