Die französische Regisseurin und Schauspielerin Maïwenn Bresco verwirklicht ihr Traumprojekt und stellt eine der bekanntesten Kurtisanen der europäischen Neuzeit in den Mittelpunkt ihres neuen Films: Für das historische Drama „Jeanne du Barry“ übernimmt sie selbst die Rolle der Titelfigur und holt Johnny Depp als Co-Star an ihre Seite. Der Film startet heute in unseren Kinos.

Von Natascha Jurácsik

Jeanne (Maïwenn) wird als illegitime Tochter einer Köchin und eines Mönchs geboren und verbringt ihre Kindheit im Haushalt eines reichen Gönners, bis sie in die Hände eines Nonnenklosters gegeben wird. Nachdem sie das Kloster verlässt, beginnt ihre Karriere als Kurtisane und sie lernt den jungen Comte du Barry kennen, der sie mit der französischen High Society bekannt macht. Kurz darauf landet sie am königlichen Palast in Versailles, wo sie Louis XV (Johnny Depp) sofort ins Auge fällt und ihre Affäre beginnt.

Experten für französische Geschichte sollten “Jeanne du Barry” nur mit Vorsicht genießen, da historische Genauigkeit offensichtlich nicht zu den Prioritäten des Stücks zählt. Sowohl Kostüme und Setting, als auch die Biografie du Barrys wurden starken Veränderungen unterzogen, wodurch das Produkt nur vage als Biopic bezeichnet werden kann. Allerdings handelt es sich hierbei schließlich um keine Dokumentation, womit es den Mitwirkenden frei steht, ihre Kreativität auszuleben.

Und rein visuell macht sich diese künstlerische Freiheit bezahlt: Die Story scheint sich in einer Märchenwelt abzuspielen, voller überwachsener Ruinen, alten Prunksälen und Kleidern, die von beinah Karneval-esque bis hin zu Feen-artig reichen. Ob der Ort, welcher im Film dargestellt wird, historisch glaubhaft wirkt, ist fraglich, doch er scheint auf alle Fälle greifbar und konnte trotz zurückhaltender Kameraführung gut auf der Leinwand eingefangen werden.

Wie in den meisten Geschichtsdramen verrät auch hier die Kleidung etwas über die Figuren selbst: Maïwenn trägt als du Barry ihre langen Haare meist offen, ist dezent geschminkt und in sanft fließende, helle Roben gehüllt. Ihre Neiderinnen hingegen sehen fast aus wie Karikaturen tatsächlicher Adeliger des 18. Jahrhunderts, wobei die grellen Farben, wahnwitzigen Frisuren und weiß gepuderten Gesichter alles andere als schmeichelhaft sind. Auch Johnny Depp kommt hin und wieder einer Wasserleiche gleich, wenn er in voller Montur als sanftmütiger Monarch posiert, allerdings gleitet seine Erscheinung anders als bei anderen Charakteren nie ins Lächerliche ab und ihn umgibt eine gewisse tragische Anmut.

Das Highlight ist allerdings die Chemie zwischen den beiden Hauptdarstellern, welche in stillen Momenten zwischen Louis und Jeanne besonders spürbar ist. Ihre Beziehung hat etwas Zeitloses, Intimes, was nicht durch feurige Sexszenen zur Geltung kommt, sondern in all den Szenen, in denen der König seine Geliebte zum Lachen bringt und sie ihn dafür mit einem Kuss belohnt. Maïwenn wagt den Versuch, eine der berühmtesten Affären am französischen Hof zu einer einfachen Liebesgeschichte zu machen – und schafft es.

Jedoch scheitert sie hierfür an anderen Stellen, vor allem an der Titelfigur: Zwar liefert sie durchaus eine gelungene Performance ab, doch die Probleme mit ihrer Charakterisierung der komplizierten Frau beginnen beim Drehbuch. Der Film kann sich nicht entscheiden, ob Jeanne nun eine emanzipierte, starke Frau ist, die trotz ihrer schwierigen Umstände ihre Sexualität nutzt, um sich ein Leben in Freiheit zu ermöglichen – oder ein gefallener Engel, der zwar seine Keuschheit opfern muss, doch stets den Inbegriff der Unschuld verkörpert. Diese zwei Extreme werden nie erfolgreich in einer Person vereint, wodurch das Publikum sich nicht ganz auf die Protagonistin einlassen kann.

Auch die aufgezwungene feministische Ebene fällt schnell auseinander, da Jeanne die einzige halbwegs sympathische Frau im gesamten Film ist – alle anderen sind gehässig, eifersüchtig, intrigant, hässlich oder einfach unwichtig. Die Männer hingegen sind – bis auf ein paar wenige Ausnahmen – hilfsbereit, empathisch und fürsorglich. Eine interessante Wahl, vor allem da in du Barrys eigentlicher Biografie eine Vielzahl an treuen Freundinnen zu finden ist. Auch der zwanghafte Drang, die königliche Mätresse als anti-rassistisch darzustellen, endet nur in unangenehmen, tollpatschigen Szenen mit ihrem Diener Zamor, ein afrikanischer Junge, der als Geschenk des Monarchen an seine Herzensdame nach Versailles kommt. All das führt dazu, dass Jeanne als Figur immer wieder einem weiblichen Spottbild gleicht und keiner realen Person.

Fazit

Ästhetisch gelungen und gut gespielt ist „Jeanne du Barry“ als angenehmes Historiendrama zwar nichts Besonderes, aber auch nicht auffallend schlecht. Depp und Maïwenn als Liebespaar bieten viel Potenzial und hätte die Regisseurin sich ernster mit der Titelfigur auseinandergesetzt und aus ihr eine komplexe Protagonistin gemacht, hätte der Film wirklich glänzen können.

Bewertung

Bewertung: 6 von 10.

56/100

Bilder: (c) Stephanie Brachnu – Why not Productions