Website-Icon Film plus Kritik – Online-Magazin für Film, Kino & TV

„True Detective: Night Country“ – Kritik zum Staffelstart auf WOW

Als 2014 die letzten Minuten der ersten Staffel „True Detective“ über den Bildschirm flimmerten, waren sich Fans und Presse schnell einig: Das sehr inflationär benutzte Attribut „Meisterwerk“ war die wohl treffendste Betitelung der acht Folgen, in denen Rust Cohle und Marty Hart auf der Jagd nach dem gelben König in die Dunkelheit hinabstiegen und die Zuschauerschaft mittels intensiver Dialoge und spannender Wendungen vor die Mattscheibe lockten. Ein Segen, der sich auch als Fluch entpuppte, denn jede weitere Staffel musste sich fortan an dieser Qualität messen lassen – und konnte mit Verlaub nur scheitern.

von Cliff Lina

Nicht, dass die weiteren Staffeln zwingend schlecht gewesen wären, aber die Intensität, die Atmosphäre und die schauspielerische Wucht konnte nie wieder erreicht werden. Trotz bekannten Namen, abwechslungsreichen Geschichten und einer gewissen Einzigartigkeit, die man „True Detective“ attestieren muss. Nun, zehn Jahre später, lassen Trailer und erste Handlungsfetzen vermuten, dass der Weg zurückführt. Zurück in die Dunkelheit, zurück zum Mysteriösen und damit auch zurück zu alter Stärke? Seit dem gestrigen 15.01.2024 können Interessierte mit Folge 1 von „Night Country“ in der Kälte Alaskas nach der Antwort suchen.

Wie üblich werden Hauptdarsteller, Handlungsschauplatz und Story komplett ausgetauscht und führen uns dieses Mal in die Tsalal Arctic Research Station in der eisigen Isolation. Nach dem spurlosen Verschwinden von sechs Biologen beginnen die beiden ungleichen Ermittlerinnen Liz Danvers und Evangeline Navarro mit der Suche, stoßen dabei auf kulturelle Unterschiede, ungelöste Probleme aus der Vergangenheit und allerhand Vorbehalte, die die Stadt und ihre Bewohner vereinnahmen. Was dabei sofort ins Auge sticht, sind die Parallelen zu bekannten Filmen mit ähnlichem Setting. Nicht nur, dass die gesamte Optik nach „The Thing“ schreit, das Filmcover lässt sich sogar zu Beginn auf einem Regal erspähen. Die Einflüsse sind somit schnell abgeklärt und auch die Handlung startet unumwunden mit jeder Menge Charakteren, Randgeschichten und Verknüpfungen in vergangene Tage, deren Ballast die Schultern der Protagonisten nach unten zu drücken scheint. Alles wirkt karg, trist und freudlos, passend zum Minenspiel der Beteiligten, die allesamt nicht den sympathischsten Eindruck machen.

Mit Jodie Foster (Danvers) und Profiboxerin Kali Reis (Navarro) wurden zwei Akteurinnen gecastet, die nicht nur optisch nicht weiter voneinander entfernt liegen könnten. Danvers lernen wir als offensichtlich überforderte Mutter kennen, die sich mit ihrer schroffen Art wenig Freunde macht, sich daran aber auch wenig stört. Navarro wirkt wie eine jüngere, ungestüme Version von ihr, die Gewalt offen gegenübersteht, mit aller Macht gegen die Ungerechtigkeit kämpft und dabei nicht nur offene Türen einrennt. Die daraus resultierende Distanz überträgt sich leider auch schnell auf die Zuschauerschaft, der es wahrscheinlich schwerfällt die ganzen Nuancen zeitnah zu verarbeiten – was für eine erste Folge allerdings auch normal ist. Nichtsdestotrotz baut sich Staffel 4 hier direkt eine Hürde auf, die es fortan zu überwinden gilt. Insbesondere Staffel 1 hatte einst davon profitiert, dass die Ermittler nahbar wirkten und die aufkeimende Chemie für bittersüße Momente in all der Melancholie sorgen konnte. Bisher wirkt das Verhalten der Hauptdarstellerinnen eher befremdlich, und das gilt leider auch für einige Drehbuchentscheidungen.

Generell ist es nicht verwerflich mit der Zeit zu gehen, aktuelle Themen in seinen Geschichten zu verarbeiten und die Reichweite auch dafür zu nutzen, um auf Missstände aufmerksam zu machen. Die Holzhammermethode, mit der „True Detective: Night Country“ einem seine Ausrichtung ins Gesicht zimmert, ist allerdings wenig subtil und grenzt teilweise an Slapstick. Natürlich gehört Danvers‘ Tochter der LGBTQ Community ein, natürlich sind beide Figuren emanzipierte Powerfrauen, die keinen Mann an ihrer Seite brauchen, männliche Bewohner sind nahezu durchgehend saufende Arschlöcher, die sich an Frauen vergehen und wenn der plot sich so weiterentwickelt, wird Gewalt gegen Frauen und/oder eine bestimmte Kultur auch eine tragende Rolle bleiben. Sätze wie „Wenn das einer Weißen passiert wäre, wäre anders ermittelt worden“ unterstreichen diese seltsam eindimensionale Prägung. Für die einen „fortschrittlich“, für andere „woke“ – die Wahrheit liegt irgendwo dazwischen, birgt jedoch vom Start weg eine Angriffsfläche, die so offensiv ausgespielt wird, dass es absolut erzwungen wirkt. Es bleibt abzuwarten wie und ob sich „Night Country“ in den weiteren sieben Folgen positioniert und ob diese Störgeräusche letztlich zu sehr von der Handlung ablenken. Von der lernen wir in der ersten Stunde noch nicht allzu viel kennen, außer dass Personen verschwinden und eine mysteriöse Kraft die Kleinstadt heimsucht, die wilde Tanzbewegungen im Schnee vollführt.

Fazit

Ein verheißungsvoller Start in der eiskalten Einöde: „True Detective: Night Country“ versucht mit aller Macht an die Atmosphäre aus Staffel 1 anzuknüpfen und wirkt dabei gerade hinten raus etwas zu bemüht. Hochkarätig besetzt und mit spannendem Setting gibt Episode 1, abseits von der explizit modernen Ausrichtung, inhaltlich leider noch nicht viel preis. Die nächsten Wochen werden Klarheit bringen und zeigen, ob sich die Macher nicht ungebremst auf’s Glatteis manövriert haben. Die neuen Folgen erscheinen wöchentlich, immer Montags auf WOW.

Bewertung

Bewertung: 7 von 10.

(65/100)

Bilder: (c) HBO Max / WOW

Die mobile Version verlassen