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Fantasy Filmfest 2020: „Becky“ – Kritik

Es gibt Schauspieler, die unweigerlich für den Rest ihrer Karriere mit ihrem Alter Ego verbunden sind. Ed O’Neill wird beispielsweise für viele immer der chauvinistische Schuhverkäufer sein, der einst vier Touchdowns während eines Spiels warf, Daniel Radcliffe ist als bebrillter Zauberer fest in der Filmgeschichte verankert. Meistens bleiben die Akteure danach zumindest ihrem Genre treu, im Falle von Kevin James könnte die Wandlung aber kaum extremer sein.

von Cliff Brockerhoff

Kannte man den US-Amerikaner bisher aus humorvollen, ja fast albernen Rollen und vor allem als IPS-Fahrer aus der Sitcom „King of Queens“, schlüpf er in „Becky“ nun in die Haut eines gewaltbereiten Neonazis, der eine Gruppe Gleichgesinnter um sich geschart hat, um nach einem Gefängnisausbruch einen kryptischen Auftrag auszuführen. Dieser führt dazu, dass sich die Wege von Dominick, so der Name von James‘ Charakter, und Becky, der namensgebenden und nicht weniger renitenten 13jährigen, die nach dem Tod ihrer Mutter die Rebellion gegen alles und jeden vorantreibt, kreuzen.

Anfangs versucht der Spielfilm noch diese melodramatische Komponente zu etablieren und die abweisende Art der Teenagerin greifbar zu machen, merkt dann allerdings schnell, dass der Weg des Dramas sehr holprig wird und es womöglich einfacher wäre, sich selber dem Spaßfaktor zu verschreiben. Das liegt nicht einmal zwingend daran, dass Lulu Wilson nicht in der Lage wäre ihre Rolle authentisch zu bekleiden, aber das Regisseur-Duo Murnion und Milott hat sich allem Anschein nach das Drehbuch bis zum Ende angeschaut und eingesehen, dass dieses nicht viel hergibt. Denn sagen wir es, wie es ist: Die Handlung wirkt so dermaßen konstruiert und bedient beinahe sämtliche Klischees, die einem bei der gedanklichen Vorstellung an einen Home-Invasion-Thriller einfallen. Die Charaktere handeln fernab jeglicher Logik, sodass sich zwangsläufig nur ein Ausweg offenbart.

Diesen wählt „Becky“ dann zeitnah und konsequent, und konfrontiert den Zuschauer mit einem blutrünstigen Werk, das fortan die Unterhaltung in den Vordergrund stellt und sich am ehesten als „Festivalfilm“ bezeichnen lässt. Der Grad der Gewalt ist beinahe lächerlich hoch und lädt zu lautem Gelächter ein, das die nichtssagende Story spielend übertönen kann. Hier werden Augäpfel mit der Schere entfernt, Antagonisten bei lebendigem Leib flambiert oder angespitzte Buntstifte in geschundenen Körpern versenkt. Die Kreativität lässt sich nicht wegdiskutieren, kann aber selbstverständlich nicht über die irrelevante Szenerie hinwegtäuschen, die zum allem Übel auch noch vom Film selber gespoilert wird und dementsprechend wenig überraschend oder gar befriedigend endet.

Was die meisten aber wohl interessieren wird ist die Klärung der Frage, wie sich Kevin James denn nun als moralisch entkleideter Rechtsradikaler schlägt. Leider bietet das Script auch hier gar nicht so viele Möglichkeiten sich wirklich zu beweisen. Die Szenen, in denen er im Mittelpunkt steht, spielt er routiniert und auf den Punkt, allerdings flimmert trotz gänzlich anderer Thematik immer wieder das Bild des trotteligen Auslieferungsfahrers vor dem geistigen Auge auf – zumal die gesamte Einbettung der fremdenfeindlichen Gesinnung keinerlei Mehrwert bietet und schlicht unnütz ist. Die beste Performance legt ohne Zweifel seine blonde Kontrahentin hin, die im Rahmen ihrer Möglichkeiten aufspielt und zumindest so dafür sorgt, dass der gesamte Film nicht komplett im Klamauk versinkt.

Fazit

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Bewertung

Bewertung: 5 von 10.

(52/100)

Gesehen beim Fantasy Filmfest.

Bilder: ©splendid film

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