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„Alles Licht, das wir nicht sehen“: Kritik zur Netflix-Serie

Das Potenzial der Geschichten, das aus dem tiefen Brunnen des 2. Weltkriegs geschöpft werden kann, ist wohl endlos. Die Kunst ist also, sich eine Nische freizuschaufeln und das Publikum zu überraschen, sei es durch Stil, Handlung oder Charaktere. Ebendies schaffte Anthony Doerr 2014 mit seinem Buch „Alles Licht, das wir nicht sehen“, mit dem er sogleich zahlreiche Preise, darunter den Pulitzer-Preis für Belletristik abräumte. Es war also nur eine Frage der Zeit bis Hollywood, oder in diesem Fall Netflix hier eine mögliche Erfolgsgeschichte wittern würde. Vor kurzem erschien nun also die Adaption des Romans als vierteilige Miniserie bei Netflix. Und ist die Überraschung geglückt?

von Lena Wasserburger

Gleich vorneweg: Es ist natürlich immer etwas „unfair“, eine Adaption mit der Quelle direkt zu vergleichen. „Den Buch-Fans kann man es aber auch nie recht machen“, heißt es da oder eben: „Film ist nunmal ein anderes Medium“. Das stimmt. Doch die Geschichte, die erzählt wird, ist im Kern dieselbe. Zumindest sollte sie das sein. Im Falle von „Alles Licht, das wir nicht sehen“ lautet sie wie folgt: Am Vorabend des 2. Weltkriegs lebt die junge Marie mit ihrem Vater Daniel LeBlanc, einem Mitarbeiter des Naturkunde-Museums, in Paris. Für seine Tochter, die seit ihrer Geburt blind ist, fertigt Daniel ein Modell der Stadt an, damit sie sich selbst zurechtfinden kann. Anderorts, in Deutschland, entdeckt der junge Werner seine Liebe zum Radio und wird aufgrund seiner Talente im Bereich der Technik von den Nazis rekrutiert und auf eine Elite-Schule geschickt. Als der Krieg ausbricht, verändert sich das Leben der beiden Protagonisten für immer. Während Werner sich als Soldat bewähren muss, flieht Marie mit ihrem Vater in die Küstenstadt Saint-Malo. Was Marie nicht weiß: Ihr Vater hat ein wertvolles Juwel aus dem Museum im Gepäck und zieht damit die Aufmerksamkeit des Nazi-Offiziers Reinhold von Rumpel auf sich, der den wertvollen Edelstein um jeden Preis in seinen Besitz bringen will. So kreuzen sich die Geschichten von Werner und Marie im Laufe der Handlung auf tragische, außergewöhnliche und auch herzerwärmende Weise.

So könnte man die Story knapp zusammenfassen. Steckt dahinter noch mehr? In der Vorlage schon, in der Netflix-Serie eher nicht. Das größte Manko der Adaption ist, dass das Außergewöhnliche gewöhnlich gemacht wurde. Denn die Netflix-Serie ist, wenn auch gut erzählt und visuell wunderschön gestaltet, sehr oberflächlich. Themen, Aspekte der Handlung werden angekratzt, bekommen jedoch zu wenig Zeit, um sich vollständig entfalten zu können. Keine Adaption muss eins zu eins der Vorlage gleichen. Anpassungen sind wichtig, ja manchmal sogar eine Bereicherung. Doch in diesem Fall wollte man zu viel in zu wenig Zeit erzählen. Wären es nun statt nur vier Episoden sechs gewesen, dann wäre die Rechnung vielleicht aufgegangen, doch so bleibt das Gefühl zurück, dass es am Ende der Geschichte noch mehr zu sagen gäbe.

Filme Serien und Filme dieses spezifischen Genres neigen dazu, sich zu sehr an Schema A zu orientieren – in groben Zügen wird meist dieselbe Geschichte immer und immer wieder erzählt. Das bedeutet nicht, dass auf diese Art nicht auch Meisterwerke entstehen können, doch in diesem Fall bleibt es bei der Note „Gut“. Die Geschichte wird schön erzählt, doch da ist eindeutig noch Luft nach oben. Es gibt einige Szenen, in denen „Alles Licht, das wir erzählen“ zu hundert Prozent ins Schwarze trifft. Momente, wie das erste Aufeinandertreffen der beiden Hauptcharaktere, unterlegt mit einem wundervollen Soundtrack mit Gänsehaut-Potenzial. Diese Energie kann die Serie allerdings nicht durchgehend aufrechterhalten und neigt manchmal gar dazu, in den Kitsch-Bereich abzurutschen.

Dennoch und das muss erwähnt werden: „Alles Licht, das wir nicht sehen“ kann mit tollen Bildern glänzen und mit einem tollen Schauspiel-Ensemble aufwarten. Gerade Hugh Laurie, Lars Eidinger als von Rumpel und Louis Hofman als Werner können überzeugen. Aria Mia Loberti liefert als Marie eine herzergreifende Performance ab, während Mark Ruffalo als Daniel LeBlanc trotz Charme und schauspielerischem Können manchmal ein wenig fehl am Platz wirkt.

Fazit

Ist „Alles Licht, das wir nicht sehen“ eine Empfehlung wert? Mit Sicherheit. Trotz ungenutztem Potenzial, ist und bleibt es eine Story, die etwas Warmes, Hoffnungsvolles an sich hat und allein dadurch ist sie besonders wertvoll. Kitsch hin oder her, manchmal braucht es etwas Licht im Dunkeln.

Bewertung

Bewertung: 7 von 10.

70/100

Bild: (c) Netflix

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