„Stell dir einen ausgewählten Tag vor und denke darüber nach, wie anders sein Verlauf gewesen wäre, wenn nicht an einem denkwürdigen Tag das erste Glied einer Kette gebildet worden wäre.“ So lässt sich ein in der neuen Netflix-Serie „Zwei an einem Tag“ erwähntes Charles Dickens-Zitat aus „Große Erwartungen“ zusammenfassen. Mit demselben Zitat kann die Handlung der Serie grob umrissen werden. Dieser eine denkwürdige Tag ist, wie der Titel der Serie schon vermuten lässt, das, worum sich die Geschichte dreht: Emma und Dexter treffen sich am Tag ihres Uniabschlusses am 15. Juli 1988 in Edinburgh. Ein Fast-One-Night-Stand der beiden führt zu einer langjährigen Freundschaft, deren Entwicklung wir, das Publikum, über die Jahre verfolgen. Der Haken: Jedes Jahr sehen wir immer nur einen Tag aus dem Leben der beiden: den 15. Juli.

von Lena Wasserburger

Wem dieser Plot nun bekannt vorkommt, der erinnert sich vielleicht noch an die erste Verfilmung von David Nicholls Bestseller „One Day“ / „Zwei an einem Tag“, damals mit Anne Hathaway und Jim Sturgess in den Hauptrollen. Der Film erschien 2011 und wurde überwiegend positiv aufgenommen – daher war die Verwirrung groß, als Netflix eine Neuverfilmung in Form einer Miniserie ankündigte. Die Begeisterung hielt sich in Grenzen. Warum denn auch dieselbe Geschichte noch einmal aufwärmen, wenn so viele andere Bücher auf eine eigene Adaption warten? Vielleicht sah man bei Netflix aber auch einfach noch ungenutztes Potenzial im Source Material. Die Frage ist nun: Hat man dieses auch genutzt?

Einer der Erfolgsfaktoren, der David Nicholls Werk zu einem Bestseller gemacht hat, ist, dass es sich bei „Zwei an einem Tag“ nicht um eine simple Rom-Com handelt. Natürlich: Im Kern ist es eine Liebesgeschichte, doch hinter der Handlung steckt etwas mehr. Ein Kritiker nannte das Buch in „The London Paper“ einmal „eine Liebesgeschichte, aber kein Märchen“. Dasselbe trifft auf die Serie zu, in der Liebe ein genauso wichtiges Thema ist wie Freundschaft, Verlust oder Trauer.

In der Netflix-Version werden die beiden Hauptrollen, Emma und Dexter, von Ambika Mod („This is going to hurt“) und Leo Woodall (“The White Lotus”) verkörpert. Sowohl Mod als auch Woodall legen jede Menge Gefühl in ihre Performances. Die emotionale Achterbahnfahrt hält bis zur letzten Episode an. Die Entwicklung der Charaktere ist glaubhaft, was vermutlich auch an der Anzahl der Episoden liegt. Mit 14 Episoden zählt „Zwei an einem Tag“ definitiv zu den längsten Miniserien im Netflix-Katalog. Dieser Aspekt schmälert allerdings ganz und gar nicht das Binge-Watching-Potenzial der Serie. Was an der ersten Verfilmung kritisiert wurde, nämlich, dass zu viele Handlungsstränge und Szenen des Buches nicht in den 107 Minuten Laufzeit des Films Platz hatten, kann innerhalb der 14 Episoden locker ausgeführt werden und die Serie profitiert davon. Es vergehen immerhin fast 20 Jahre zwischen dem ersten Aufeinandertreffen der Protagonisten und dem Ende der Story, die längere Laufzeit ist also gerechtfertigt und in diesem Fall sogar willkommen.

Wofür sich „Zwei an einem Tag“ allerdings rechtfertigen muss, sind die Ungenauigkeiten der Timeline. So glaubhaft die Reise der Charaktere auch inszeniert wird, das Ganze kommt etwas ins Wanken, wenn, nur eineinhalb Jahre nach dem ersten „Meet-Cute“ von Emma und Dexter, bereits von einer jahrelangen Freundschaft die Rede ist. Hier sorgt die Serie immer wieder für etwas verwirrende Momente, die den Zauber des Storytellings für den Augenblick verpuffen lassen.

Ähnlich wie die erste Adaption und das Buch selbst leidet nämlich auch die Serie unter der Tatsache, dass der Großteil der Handlung eigentlich off-screen stattfindet. Zwar basiert das Konzept auf der Tatsache, dass wir die Charaktere nur an einem spezifischen Tag ihres Lebens pro Jahr sehen, doch damit geht einher, dass dem Publikum so einiges verborgen bleibt, das nachträglich durch Exposition aufgeklärt werden muss. Jedoch bemüht sich „Zwei an einem Tag“, diese Lücken auf möglichst flüssige Art und Weise zu füllen. Lob verdient die Serie jedenfalls für ihre Cinematography und visuellen Entscheidungen. Man lässt sich hier Zeit, um jedes Bild auf das Publikum wirken zu lassen – ein Luxus, den sich der Film damals nicht leisten konnte.

Fazit

Auch wenn die Netflix-Version von „Zwei an einem Tag“ nichts tut, was man nicht hier und da schon einmal gesehen hätte – die Serie hat etwas Bodenständiges, Ehrliches, das damit eine Chance verdient. Letztendlich wurde das Potenzial voll ausgeschöpft. Daher darf man Netflix zu einer Serie gratulieren, die genau das geschafft hat, was sie sich vorgenommen hat: Eine ausführlichere Adaption einer Geschichte, die sich um die Unberechenbarkeit des Lebens dreht und mit der Filmadaption locker mithalten kann.

Bewertung

Bewertung: 8 von 10.

(81/100)

Zwei an einem Tag
Serie, UK, 14 Folgen a 19-38 min.
von Roanna Benn, David Nicholls, Jude Liknaitzky, Nicole Taylor
Darsteller: Ambika Mod, Leo Woodall
seit 8.2. auf Netflix

Bild: (c) netflix