Saison 1 ist vorbei: Gestern mit dem Superbowl beschloss RTL sein erstes Jahr als neue TV-Heimat des American Football in Deutschland. Der Beitrag zieht ein Fazit und bewertet auch die Superbowl-Übertragung.

von Christian Klosz

Der Aufschrei war bekanntlich groß, als Ende 2022 bekannt wurde, dass NFL-Sender Pro7 die TV-Rechte an RTL abtreten würde. Groß war die Befürchtung vieler American Football-Fans, dass der Privatsender die Qualität der Übertragungen nicht halten können würde, dass sie an „Charakter“ verlieren würden. Immerhin baute Pro7 den Sport über Jahre in Deutschland auf, machte ihn populär, viele Fans verbinden Football mit der Crew rund um Jan Stecker, Patrick Esume, Netman Icke Dommisch und Co.

Als RTL schließlich sein TV-Team für die Saison 2023/2024 vorstellte, konnten einige aufatmen: Die meisten bekannten Pro7-Kommentatoren und -Experten wurden von RTL übernommen, Kontinuität und Anknüpfungspunkte waren gesichert. Aber es gab auch Änderungen: „Icke“ wurde durch Mitja Lafere ersetzt, Frank Buschmann kehrte ins Team zurück, neu war auch das Experiment Alex von Kuczkowski als Co-Netman, das ziemlich in die Hose ginge, weshalb in der zweiten Saisonhälfte Lafere den Posten allein übernahm (und sehr solide ausfüllte).

Neu war auch Jana Wosnitza als Moderatorin im eigens gebauten TV-Studio. Nach leichten Anfangsschwierigkeiten fand sie immer besser in ihre Rolle und wurde gegen Ende der Saison zum essentiellen Bestandteil des Teams, in dem auch die Stimmung zu stimmen schien.

Auf die Quoten wirkte sich diese durchaus positive Entwicklung vorerst nicht aus: Die Zuschauerzahlen lagen unter dem von RTL Erwarteten, teils auch unter jenen von Pro7, weshalb man manche NFL-Übertragungen in den RTL-Spartensender NITRO verräumte. Als zentrales Fazit lässt sich aber feststellen: An der Qualität hat es nicht gelegen.

Denn wenn man die TV-Übertragungen, die Expertise, die „Stimmung“ und Chemie im Team, sprich: das komplette TV-Produkt bewertet, ist qualitativ kein Unterschied zu jenem von Pro7 festzustellen. Das liegt teils sicher an den selben Gesichtern, auch an der hohen Professionalität vor und hinter der Kamera und der geteilten Begeisterung für den Sport. In einigen Aspekten hatte mitunter Pro7 leicht die Nase vorn gehabt Bei anderen RTL. Insgesamt aber muss festgestellt werden, dass RTL seine NFL-Debütsaison mit Bravour absolvierte. Die immer wieder auftauchenden Unkenrufe und Kritik sind eher als Ausdruck eines grundsätzlichen Protests gegen jegliche Änderung von Bekanntem zu verstehen. Oder als „Geschmackssache“. Objektiv belegbar sind sie nicht.

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Die Superbowl-Übertragung auf RTL in der Kritik

Ein kleines Minus gabs zum Schluss: Die Superbowl-Übertragung gestern selbst war und ist immer noch mit einigen Fragezeichen behaftet, abseits des Sportlichen. Das Highlight der NFL-Saison brachte RTL zwar ordentlich über die Bühne, konnte dabei aber nicht an die „Leistungen“ in der Regular Season anknüpfen. Zu tun hat das mit einigen, recht undurchsichtigen Entscheidungen in Hinblick auf das Kommentatoren-Team in Las Vegas.

Zum einen ist Nachwuchs-Kommentator Florian „Schmiso“ Schmidt-Sommerfeld einer solchen Aufgabe einfach nicht gewachsen, schon gar nicht in seiner ersten kompletten TV-Saison bei RTL. Als Hauptmoderator braucht es jemanden mit Erfahrung, der die Sache souverän leiten kann. Jemand wie Frank Buschmann – bei aller Kritik, die einen lieben ihn, die anderen hassen ihn – oder vor allem Jan Stecker. Beide waren gestern nicht dabei.

Buschmann selbst hatte bereits im Vorfeld bekannt gegeben, dass er nicht beim Superbowl dabei sein wolle – ihm „fehle die Energie“ sagte er und er sei „am Limit“. Die (Reise)Strapazen wolle er anderen überlassen. Bei Stecker war und ist die Sache unklar: Wenn man auf die Aussagen von vor einer Woche blickt, war er offenbar sehr wohl als Kommentator in Vegas vorgesehen gewesen. Gestern war er plötzlich nicht zu sehen, ohne offizielle Erklärung. In einem Interview sprach „Schmiso“ darüber, wie er erfahren habe, den Superbowl zu kommentieren. Aber auch er verlor kein Wort über seinen Kollegen. Im Hintergrund heißt er derweil, es gebe einen (mehrere?) Krankheitsfall in der Familie Stecker, weshalb er nicht dabei sein konnte. Es wäre schön gewesen, wenn RTL zumindest darauf hingewiesen hätte oder man dem Kollegen Genesungswünsche geschickt hätte.

Noch dubioser war der Auftritt von Björn Werner: Er war neben Schmidt-Sommerfeld, Patrick Esume und Sebastian Vollmer als Experte für die Live-Übertragung vorgesehen und das wurde auch vorab so kommuniziert. Beim Einspieler vor der Übertragung sah man ihn nicht beim Team, sondern wie er „Hangover“-like alleine auf einer Couch mit Tattoo im Gesicht aufwacht. Danach saß Werner kurz doch mit den Kollegen in der TV-Box, dann war er verschwunden und man sah und hörte den ganzen Abend nichts mehr von ihm, ohne jegliche Erklärung seitens RTL oder der Kollegen. Werner meinte auf Instagram, er werde die Situation in seinem Podcast aufklären. Man kann es nur hoffen, denn sie sorgte für Stirnrunzeln und viele Fragezeichen. Und brachte unnötige Unruhe in die Übertragung des Highlights der NFL-Saison. Fazit: Ausbaufähig.

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Bewertung (Superbowl-Übertragung):

Bewertung: 6 von 10.

Titelbild: Patrick Esume, Jana Wosnitza, Frank Buschmann (c) RTL

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