Mit „Winnie the Pooh: Blood and Honey“ gelang dem britischen Produzent-Regisseur Rhys Frake-Waterfield letztes Jahr nicht nur ein Überraschungshit, sondern auch gleich die Schöpfung eines neuen Genres: Des public domain-Horror. Gemeint sind damit Filme, die literarische Stoffe, die in die Gemeinfreiheit übergehen, als Horrorversionen adaptieren. Auf den Erfolg von „Blood and Honey“ wurden nicht nur weitere Projekte angekündigt („Bambi: The Reckoning“, „Pinocchio: Unstrung“), sondern auch ein Sequel. Dieses lief bereits im letzten Monat in Großbrittannien im Kino an, bei uns startet der Film diese Woche.

von Christian Klosz

Teil 2 beginnt mit den Nachwehen von Teil 1: Nach den blutigen Morden im Hundert-Morgen-Wald gilt der (unschuldige) Christopher Robin in der beschaulichen Ortschaft Ashdown als persona non grata. Seine Geschichten von einem blutrünstigen Bären und anderen Monstern will ihm kaum jemand glauben und die meisten Bewohner halten ihn für den Mörder. Um die Erlebnisse selbst aufzuarbeiten, hat er eine Hypnose-Therapie begonnen, die auch Traumata der Kindheit zutage fördern sollen, unter anderem die Entführung seines Bruders Billy. Parallel stapeln sich erneut Leichen im Wald: Pooh ist zurückgekehrt – und hat diesmal auch einige seiner Freunde mitgebracht.

Der größte, bereits vorab feststellbare Unterschied von „Blood and Honey 2“ zu Teil 1 ist die Medienberichterstattung. Während der erste Teil zwar finanziell ein großer Erfolg war, da er ein Vielfaches der geringen Produktionskosten eingespielt hatte, wurde er von der Kritik vernichtet: 3% Zustimmung standen beim Rating-Portal Rotten Tomatoes zu Buche. Und auch in Sozialen Medien ließen sich Teile des Publikums über die ihrer Meinung nach miserable Qualität des Films aus. Ein Faktor für den finanziellen Erfolg war wohl auch die morbide „Faszination“, die vom Sujet ausging: Der süße, honigliebende Kindheitsheld Winnie Puuh als mordendes, blutrünstiges Monster? Das wollten viele sehen.

Bei Teil 2 sah die Sache schon vor dem offiziellen UK-Release ganz anders aus: Kritiker, die den Film vorab sehen konnten, erkannten klare Verbesserungen gegenüber dem Vorgänger, manche lobten „Blood and Honey 2“ gar und bei Rotten Tomatoes hat sich die Bewertung auf eine recht solide Zahl von knapp über 50% Zustimmung eingependelt. Wie schlägt sich nun die Fortsetzung wirklich?

Knapp zusammengefasst lässt sich sagen, dass Teil 2 gar nicht so viel anders ist als Teil 1: Der raue, brutale Charme des ersten Films ist geblieben, neu sind die sichtbaren Verbesserungen in Bezug auf Maske und Produktionsdesign. Trotzdem ist „Blood and Honey 2“ im Kern immer noch ein B-Horror-Movie, der eine geistige Verwandtschaft zu den US-B-Movies der 40er und 50er erkennen lässt, die oft auch absurd anmutende Kreaturen Horror und Terror verbreiten ließen.

Anders ist, dass sich der neue Film viel ernster nimmt als Teil 1: „Blood and Honey“ enthält mehrere Szenen, die unfreiwillig komisch wirken, man kann aber davon ausgehen kann, dass den Machern dieser Aspekts durchaus bewusst war und es sich dabei um (wenn teils auch budgetbedingte) klassische Camp-Einlagen handelte. Diese sind in „Blood and Honey 2“ fast komplett verschwunden. Das Finale ist zwar erneut überdreht blutrünstig und irre, aber zum Lachen hat man als Zuschauer hier nicht viel. Auch der ironische Trash-Faktor wurde eindeutig zurückgeschraubt.

Auch Tigger ist diesmal dabei…

Diese neue „Ernsthaftigkeit“ ist auch am Drehbuch sichtbar: Autor Matt Leslie bemüht sich um mehr „Tiefe“, will die Hintergründe der „Entfremdung“ zwischen Protagonist Christopher Robin und seinem Kindheitsfreund Winnie the Pooh erklären. Eine zentrale Rolle spielt hier das Verschwinden von Christophers Bruder, aber auch ein Wissenschaftler, der menschliche DNS mit tierischer kreuzt – mit (wie immer in solchen Fällen) fatalen Folgen. Wenngleich ein paar Twists recht bewusst platziert wurden und Vorarbeit für weitere Filme des „Pooh-niverse“ leisten, zeigt das Drehbuch Schwächen, wirkt manchmal unrund und unausgegoren.

Dasselbe trifft auf den Schnitt zu: Manche Sequenzen sind eindeutig zu lang, während andere, nur Sekunden kurze Szenen in den ohnehin etwas holprigen Handlungsverlauf hineingeschnitten werden, die nicht dorthin passen. Nicht unbedingt von Vorteil (oder nachvollziehbar) ist die Neu-Besetzung von Christopher Robin mit Produzent Scott Jeffrey.

Fazit

Trotz einiger Unterschiede zum Vorgänger (und erwähnter Schwächen) wird „Winnie the Pooh: Blood and Honey 2“ Fans des 1. Teils überzeugen und wohl auch einige neue Anhänger des Pooh-niverse dazugewinnen können. Insgesamt steht Teil 2 – vor allem wegen eindeutig größerer, finanzieller Ressourcen – qualitativ knapp über Teil 1, wenngleich man den Trash-Faktor etwas vermissen kann. Der Zugang der Macher bleibt trotzdem frisch und originell, darum werden wohl auch die weiteren geplanten Verfilmungen mit bösegewordenen Kindheitshelden funktionieren. Eine neue Nische hat man in jedem Fall er- und gefunden.

Wertung

Bewertung: 7 von 10.

(65/100)

„Winnie the Pooh: Blood and Honey 2“ ist ab 25.4. im Kino zu sehen.

-> Kritik zu Teil 1 von „Blood and Honey“

Bilder: (c) Jagged Edge Productions / Plaion Pictures