Im Jahr 1964 verbinden die Kunststudenten Po Powell und Storm Thorgerson ihre Talente, um das Grafik-Label „Hipgnosis“ (eine Wortkreation aus „hip“ und „gnosis“) zu gründen. Sie gestalten originäre und kompromisslose Cover-Kunstwerke für aufstrebende Rockbands, darunter Pink Floyd, Led Zeppelin oder etwas später Peter Gabriel.

von Christian Klosz

Hipgnosis verstehen sich dabei als gleichberechtigte artistische Partner der Bands und schaffen es, eigenwillige und ungewöhnliche Ideen umzusetzen und unter die Masse zu bringen. Aus einem kleinen Duo, das in einem heruntergekommenen Atelier ohne Toilette werkt, wird ein lukratives Unternehmen, das megalomanische künstlerische Visionen umsetzen kann, bei denen Geld keine Rolle spielt. Erst persönliche Differenzen der beiden Gründer und der Beginn der „MTV-Ära“ Anfang der 1980er stoppt den Erfolg.

Regisseur Anton Corbijn – selbst früher als Musikvideoregisseur tätig – lässt diese Ära in „Squaring the Circle“ durch Interviews mit Po Powell und Größen des Rock auferstehen. Der Film ist in ausgewählten deutschen Kinos zu sehen.

„Squaring the Circle – The Story of Hipgnosis ist eine filmische Zeitreise: In schwarz-weißen Bildern entführt Corbijn sein Publikum nach London, New York und in andere Metropolen zur Geburtsstunde der modernen Rockmusik. Als zentraler Tourguide fungiert dabei Po Powell, ein Teil des titelgebenden Kreativduos, der anschaulich und detailliert über die Anfänge von Hipgnosis, aber auch seine Bekannt- und Freundschaft mit den Größen des Rock erzählt. Legenden wie Robert Plant, Jimmy Page, David Gilmour oder Peter Gabriel ergänzen das betörende Mosaik durch Anekdoten über die Zusammenarbeit und die teils haarsträubenden bis wahnsinnigen kreativen Prozesse, die zu den berühmten Artworks führten.

Hipgnosis stand in den Augen der Öffentlichkeit im Schatten der Stars, mit denen sie arbeiteten. Doch gelang es ihnen, ihre stets eigenwilligen Ideen so umzusetzen, wie sie wollten. Grundlage war eine kreative Kompromisslosigkeit und Idealismus, um jeden Preis das Bestmögliche zu schaffen: Kunst um der Kunst willen, Album-Cover nicht als simple, banale Marketing-Instrumente, sondern als eigenständige Kunstwerke. Dass Album-Cover heute im besten Fall als kleine, zentimetergroße digitale Bilder auf Smartphone-Playlists angezeigt werden erscheint als trauriges Armutszeugnis und Kulturverfall, der sich jedoch bereits Anfang der 80er ankündigte und das Ende von Hipgnosis einleitete.

Corbijn gelingt es wie in allen seinen Filmen, dem an sich schon ergiebigen Sujet seinen persönlichen Stempel aufzudrücken und „Squaring the Circle“ zu einer spannenden Erzählung zu verdichten, obwohl es sich dabei an sich um einen Dokumentarfilm handelt. Er wird zu einer allgemeinen Abhandlung über künstlerische Autonomie, Genialität und die Licht- und Schattenseiten einer inzwischen zur Industrie verkommenen Branche. Die Corbijn eigene Melancholie, die sich auch in seinen Spielfilmen wie „Control“ zeigt, mischt sich passenderweise auch in diese Geschichte über die möglicherweise letzte, große Ära der Populärmusik.

Der Titel „Squaring the Circle“ spricht von der Quadratur des Kreises, also von einem unmöglichen Unterfangen. Dieses, nämlich anspruchsvolle, radikale Kunst in die Populärkultur zu tragen, war nicht nur Bands wie Pink Floyd gelungen, sondern auch Hipgnosis. Die Alben-Cover von „Dark Side of the Moon“ oder „Houses of the Holy“ (Led Zeppelin) gelten heute nicht nur wegen der darunter versteckten Musik als ikonisch, sondern auch aufgrund der Arbeit, die Po Powell und Storm Thorgerson in sie investierten. Der mehr als sehenswerte Film „The Story of Hipgnosis“ lässt das Publikum retrospektiv Teil dieses spannenden Arbeitsprozesses sein.

Fazit

Ein stilvoll umgesetzter, geradezu ergreifender Dokumentarfilm, der illustriert, was es heißt, wahre Kunst und nicht Kunstware zu machen, aber auch einen einmaligen filmischen Trip in die Blütezeit der Rockmusik ermöglicht. Der aus Rock-Klassikern bestehende Soundtrack trägt das Seine zu einem erfüllenden filmischen (und musikalischen) Erlebnis bei.

Wertung

Bewertung: 9 von 10.

(88/100)

Jetzt in ausgewählten deutschen Kinos & im US-Angebot von Netflix zu sehen.

Squaring the Circle: The Story of Hipgnosis
2022, Dokumentarfilm, 101 min.
Regie: Anton Corbijn
mir: David Gilmour, Robert Plant, Peter Gabriel u.a.