Während das Filmmuseum eine komplette Retrospektive zur Regisseurin Bigelow veranstaltet, läuft derzeit auch im regulären Kinobetrieb ihr neuester Film, das Rassismus-Drama „Detroit“. Bei den bisher bekannten Nominierungen für die diesjährigen Award (AFI, Globes) wurde der Film, etwas überraschend, vollkommen übergangen. „Detroit“ bietet eine fast zweieinhalb-stündige, intensive Auseinandersetzung mit einem nicht nur amerikanischen Phänomen, die qualitativ nicht ganz an „Zero Dark Thirty“ anschließen kann, aber dennoch sehenswert ist.

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Bigelow bleibt dabei über weite Strecken ihrem deskriptivem, nahezu dokumentarischen Stil treu, der ohne erhobenen Zeigefinger auskommt, und jeden Zuseher selbst zwingt, Stellung zu beziehen, und das Gesehene zu bewerten. Gerade diese „journalistische“ Objektivität trug der Regisseurin in der Vergangenheit mehrfach Kritik ein, Gewalt zu verharmlosen, oder zu entschuldigen. Bigelow geht es aber vor Allem um eine detailtreue Rekonstruktion der Vorkommnisse in Detroit zur Zeit der Rassenunruhen 1967, und das Gezeigte spricht für sich: Offenkundig wird die menschenverachtende Kraft von Rassenhass, der Missbrauch von Macht und Menschen.

Die Tatsache, dass Bigelow die Vorkommnisse nicht einseitig schildert, sondern minutiös und großteils nüchtern beschreibt, was passiert war, und wie es dazu kommen konnte, ist besonders hervorzustreichen. Es gibt hier kein simples „Schwarz-Weiß“, sondern viel, viel Grau, und die Erkenntnis, dass, wenn auch der Rassenhass in der USA von einer Seite, den Weißen, ausgegangen ist, es beide Seiten zur Versöhnung braucht.

Neben dem sadistischen jungen Polizei-Offizier, der hier wahllos junge Schwarze foltert, gibt es in „Detroit“ ebenso „Mitläufer“, die nur „Befehle ausführen“, einen schwarzen Wachmann, der sich gewissermaßen zum Mittäter macht, indem er wegschaut, weiße Arme-Offiziere und Offizielle, die ihrerseits mit Abscheu auf ihre weißen „Kollegen“ reagieren – und einen schwarzen Musiker, der im „Algiers“-Hotel dabei war, und nicht verzeihen und vergessen kann: Ein vielfältiges Bild, das in seiner Komplexität den Zuseher fordert, aber vor Allem wachrütteln will; und zwar nicht durch plumpe Effekte oder inszenatorische Finessen, sondern durch bedingungslosen Kino-Realismus, der alles zeigt, wie es ist.

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Warum kann „Detroit“ dennoch nicht ganz an „Zero Dark Thirty“ anschließen? Inhaltlich behandelt der Film abermals wichtige Themen, die gekonnt und hochwertig aufbereitet wurden. Bigelows Vorgänger aber besaß noch mehr „inszenatorische Wucht“, auch eine „starke (weibliche) Hauptfigur“, wie in „Zero“ von Jessica Chastain hervorragend verkörpert, fehlt in „Detroit“. Dennoch lässt sich der Film zu den Besten des Filmjahres ´17 zählen, und hätte sich zumindest Nominierungen bei diversen Awards redlich verdient. Man wird sehen, ob er von der Oscar-„Academy“ berücksichtigt wird.

Kritik von Christian Klosz