von Cliff Brockerhoff

In den vergangenen Jahren gab es, neben der inflationären Vermehrung von Superhelden-Filmen, wohl kaum ein Genre, das wieder so sehr in den Fokus gerückt ist wie das Horrorgenre. Zu Hochzeiten, als Horrorreihen wie „Nightmare on Elmstreet“, „Freitag der 13.“ oder „Halloween“ die breite Masse in die Kinos lockten, waren die meisten der Zuschauer heutiger Horrorfilme noch gar nicht geboren. Und auch heute kann der geneigte Betrachter aus einer gewaltigen Palette an Grusel- und/oder Schockerfilmen wählen. Die Bandbreite erstreckt sich von höchst diskutablen „Klassikern“ wie „A serbian film“ oder „Human Centipede“ bis hin zu gehypten und vielbeachteten Vertretern aus dem „The Conjuring“-Universum. Die Genregrenzen verlaufen fließend, und so kann es durchaus passieren, dass selbst der akribischste Horrorfan nicht alle für ihn relevanten Filme auf dem Schirm hat. Dieser Beitrag soll euch folglich einige übersehene Perlen ans Herz legen.

Lovely Molly (2012):
Der von Eduardo Sánchez („The Blair Witch Project“) geschriebene Film erzählt die Geschichte von Molly, die nach der Hochzeit mit Ihrem Ehemann Tim in das Haus Ihrer Kindheit zurückkehrt. Als Molly immer deutlichere Veränderungen zeigt, ist nicht nur die Ehe der beiden in Gefahr. Was anfangs vielleicht nach einem typischen 08/15 Haunted House-Film klingt, entwickelt sich im Laufe seiner 100 Minuten aber zu einem kleinen Meisterwerk. Ohne die typischen Jump-scares arbeitet „Lovely Molly“ viel mehr auf psychologischer Ebene und bietet, neben einer hervorragenden Leistung der Protagonistin (Gretchen Lodge), eine verstörende Geschichte und eine Endszene, die man so schnell nicht mehr vergisst.

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The Snowtown murders (2011):
Dieser australische Film ist das Regiedebut von Justin Kurzel, der zuletzt mit einer grandiosen Verfilmung von Shakespeares „Macbeth“ Aufsehen erregte. Er basiert auf wahren Begebenheiten, und schildert die grausige Mordserie des Serienkillers John Bunting, die sich von 1992 bis 1999 in Australien ereignet hat. Auch wenn der Film hier und da mit einem hohen Gewaltgrad daherkommt, ist es auch hier eher die psychologische Komponente, die dieses Werk interessant macht. Die wunderbar eingefangene Stimmung der australischen Kleinstadt, gepaart mit einem fantastischen Soundtrack und einer unglaublich intensiven Story ergeben einen zweistündigen Höllentrip in die Abgründe der menschlichen Seele.

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La casa muda (2010):
Auch der uruguayische Genrevertreter erzählt eine Geschichte, die sich in den 1940er Jahren so zugetragen haben soll. Schauplatz der Story ist das Haus von Wilson, der zwecks der Renovierung Nestor und dessen Tochter Laura um Hilfe bittet. Als Nestor in der unteren Etage eine Pause einlegt, begibt sich Laura auf eine Erkundungstour durch das alte Haus. Das Besondere an „La casa muda“ (der übrigens nur ein Jahr später ein US-Remake mit Namen „Silent House“ erhielt) ist, dass er ohne Schnitte gedreht wurde. Der Zuschauer begleitet die Protagonistin dementsprechend auf Schritt und Tritt, und erlebt quasi hautnah die Entdeckungen der jungen Laura. Wie sich schon erahnen lässt, liegt der Fokus hier nicht auf einer tiefgründigen Geschichte, sondern einzig auf der Atmosphäre. Die omnipräsente Anspannung sorgt, zusammen mit ein paar gut getimten Schockmomenten, für einen feinen Nervenkitzel, der durchaus zu gefallen weiß.

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The Invitation (2015):
Tendenziell vielleicht eher im Thriller- als im Horrorbereich angesiedelt, spielt auch „The Invitation“ nahezu ausschließlich in einem Haus. Dieses ist allerdings alles andere als verlassen, da sich dort eine Dinner Party zuträgt. Für Will ist dies kein allzu schöner Anlass, handelt es sich doch um das Haus, in dem er einst mit seiner Ex-Frau Eden gelebt hat. Als sich die Gäste im Laufe der Party immer seltsamer verhalten, muss Will feststellen, dass es sich nicht um eine gewöhnliche Zusammenkunft handelt. „The Invitation“ ist einer dieser Filme, bei dem sich das Unbehagen, das der Film vermittelt, direkt auf den Zuschauer überträgt. Unangenehme Gesprächsverläufe und seltsame Zufälle lassen schnell erahnen, dass irgendetwas vor sich geht. Geschicktes Storytelling offenbart immer wieder mögliche Lösungen, die sich am Ende aber als komplett falsch erweisen. Aufgrund seines gemächlichen Tempos ist „The Invitation“ vielleicht kein Film für jedermann, bietet aber aufgrund seiner brillanten Optik und seiner nervösen Stimmung eine 100-minütige Reise, die beständig Stimmung aufbaut und diese erst ganz zum Schluss lockert.

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Die Tochter des Teufels (2015):
Bei dem von Osgood „Oz“ Perkins geschriebenen und gedrehten Film handelt es sich wohl um den typischsten Genrevertreter. Okkultismus, Satanismus: hier bekommt der Zuschauer am ehesten das, was er mit dem Genre in Verbindung bringt. Zusammengefasst begleitet der Zuschauer die Erlebnisse der Schülerinnen Rose und Kat, die beide während der Winterferien in Ihrem Internat bleiben. Nach und nach geht das Gerücht um, dass die dort angestellten Nonnen einem satanischen Kult angehören. Allerdings hat auch dieser Film, der im Original den Titel „February“ trägt, deutlich mehr zu bieten als abgenutzte Klischees. Es ist vielmehr die Story, die sich letzten Endes in den Vordergrund stellt und, gemessen an den Standards, für einen Horrorfilm überraschend intelligent und verwirrend daherkommt. Oz Perkins, im Übrigen der Sohn des ersten Norman Bates-Darstellers Anthony Perkins, liefert ein bockstarkes Regiedebut ab, das leider an den Kinokassen komplett unbeachtet blieb.

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