“Manta, Manta – Zwoter Teil”, die Fortsetzung des Kultfilms mit Til Schweiger aus den 90ern, startet morgen im Kino. Aus diesem Anlass werfen wir einen (analytischen) Blick zurück auf das “Original”, das mehr zu bieten und über seine Zeit zu erzählen hat, als man auf den ersten Blick denken möchte. “Manta, Manta” ist derzeit auf Netflix (und Paramount+) zu sehen.
von Richard Potrykus
Wenn ein Film zwischen Schwerindustrie und Zechensiedlung pendelt, zwischen Imbissbude und Eiscafé, zwischen Schrebergärten und Kleintierzüchtern, wenn sowohl Landstraßen, als auch Autobahnen diese Punkte miteinander verbinden, dann befindet sich der Film im Ruhrgebiet. In “Manta, Manta” (u.a. von Bernd Eichinger produziert, Regie führte Wolfgang Büld) von 1991 kommt all das vor und zugleich präsentiert der Film auf diversen Ebenen einen Zustand der Schwebe zwischen einem Damals und einem Heute, das nicht weiß, wie eine Zukunft aussehen wird. Zum Kinostart von “Manta Manta – Zwoter Teil” morgen, am 30.3.2023, werfen wir einen Blick zurück auf den originalen Kultfilm.
Was in der Einleitung gestelzt erscheinen mag, ist gar nicht so abgehoben, wie der erste Blick vermuten lässt. 1991 war ein schwieriges Jahr. Erst im Spätherbst 1989 fiel die Berliner Mauer, die Wiedervereinigung erfolgte im Jahr darauf. Der Kalte Krieg und damit eine Form der Beständigkeit waren auf einmal vorbei. Allgemein herrschte in den 1990er Jahren eine Aufbruchstimmung. Die Gedanken, die sich bereits in den 1980er Jahren ausgebreitet hatten, das Erstarken der Friedens- und Umweltbewegung, hatten Strahlkraft bekommen und sich über die gesamte (westliche) Bundesrepublik gelegt. Hinzu kamen technologischer Fortschritt und ein erfolgsorientiertes Yuppie-Mindset, welches sich progressiv von der Arbeiterklasse distanzierte.
Im Zentrum von “Manta, Manta” steht Berti (Til Schweiger), und Berti fährt einen Opel Manta. Das Problem ist nur, dass, wer etwas auf sich hält, keinen Manta fährt, sondern einen VW Golf. Wer etwas auf sich hält und es sich leisten kann, fährt ein Auto der gehobenen Klasse, so wie der Yuppie Axel (Martin Armknecht), welcher sich einen Mercedes Benz leisten kann. Wer schließlich etwas auf sich hält und sich richtig viel leisten kann, fährt, wie der Disco-Betreiber Helmut (Uwe Fellensiek), einen Ferrari.
Über die Golf-Fahrer, die kulturellen Erzfeinde der Manta-Fraktion, erfährt das Publikum nichts. Über die anderen Fahrzeuge werden die sozialen Klasse-Verhältnisse zwischen Berti und Axel und Berti und Helmut verhandelt: Axel ist ein Business-Typ. Immer perfekt gestylt und mit Anzug und Krawatte verkörpert er das schnelle und zahlreiche Geld. Er erinnert ein wenig an die Discount-Version eines Patrick Bateman aus “American Psycho”, ausgestattet mit allerhand Statussymbolen, durch die er sich von seiner Umwelt abgrenzt und abhebt. Mit ihnen kommt eine vermutlich gehobene Ausbildung und das Wissen, Geld für sich arbeiten zu lassen. Allein an Charakter mangelt es ihm erheblich.
Helmut vertritt einen anderen Typus Mensch. Er ist ein schleimiger Disco-Besitzer und ständig auf Menschenfang. Für ihn ist nicht das Geld anderer Leute die Ware, sondern die Leute selbst. Als Helmut das erste Mal im Film zu sehen ist, spricht er, im Ferrari sitzend, Uschi (Tina Ruland) von der Seite an und lässt sie erst einmal (scherzhaft) wissen, dass er sie für eine Prostituierte halte. In der Folge versucht er immer wieder, Uschi bzw. ihren Körper für sich zu gewinnen.
Berti ist da anders. Es ist nicht bekannt, ob, wo und was Berti arbeitet. Fest steht allein, dass es kein akademischer Beruf ist. Berti gehört zur Arbeiterklasse und ist damit Teil der Gesellschaft, auf die Menschen wie Axel und Helmut mit Verachtung herabsehen. Im Gegensatz zu den beiden hat Berti allerdings Freunde und ein gutes Herz. Da sind Klausi (Michael Kessler), Hakan (Ömer Simsek) und Gerd (Stefan Gebelhoff) zu nennen. Sie alle stammen aus dem Ruhrgebiet, haben ihre Qualitäten und halten zusammen. Im Gegensatz zu Axel und Helmut ist Berti Teil einer Gemeinschaft und in Ermangelung finanziellen Wohlstands ist diese Gemeinschaft alles, was die Gruppe hat.
Entsprechend bestürzt und wütend ist Berti, als er herausfindet, dass Gerd heimlich sein Abitur nachgemacht hat. “Ich bin nicht beleidigt. Ich brauch’ kein Abitur. Ist doch sowieso alles nur Luxus”, sagt er. Hierbei geht es jedoch nicht darum, dass Gerd sich weitergebildet hat. Vielmehr hat Berti Angst, das Kapital, die ganzen Axels und Helmuts, könnte ihm seinen Freund wegnehmen. “Manta Manta” transportiert so die klare Botschaft, dass Geld nichts wert ist, wenn niemand da ist, mit dem man das Geld teilen kann, und so ist es bezeichnend, wenn sich am Schluss des finalen Rennens der Ferrari und der Mercedes gegenseitig aushebeln und der Manta gewinnt.
“Manta, Manta” ist also Milieustudie und hat sozialkritische Elemente, ist allerdings auch ein Film, der vor Klischees nur so strotzt. Und auch wenn klar die Seite des Ruhrgebiets eingenommen wird, so ist nicht zuletzt Klausi die Blaupause eines Manta-Fahrers. Mit ihm erhält die Screwball-Komödie Einzug in den Film. In einer Mischung aus Fremdscham und bedingungsloser Begeisterung verfolgt man den einfach strukturierten jungen Mann, der nur seinen Geburtstag feiern möchte und dabei von einer ihn überfordernden Situation in die nächste stolpert.
In Klausi offenbart sich auch, dass sich der Film selbst nicht allzu ernst nimmt und weiß, dass er eigentlich eine Art Ruhrpott-Märchen erzählt. Es ist unpackbar, wie unbeschadet Klausi durch den Film kommt und am Ende zudem das traditionelle “Mädchen” für sich gewinnt. Auch wenn der sympathische Dummkopf alle Vorurteile gegen Manta-Fahrer in sich vereint, so entpuppt er sich am Schluss als der Held des Films. Als alles verloren scheint und die Gemeinschaft entweder zu betrunken oder zu eingeschüchtert ist, um das Rennen zu bestreiten, ist es Klausi, der sich dem wohlhabenden Establishment entgegensetzt.
In diesem Sinne steht Klausi auch für die Ehrlichkeit des Ruhrgebiets und das viel besungene Malochertum. Das aus der Mode gekommene Verb “malochen bezeichnet körperlich schweres Arbeiten. Hierfür waren die Menschen des Industriestandortes Ruhrgebiet bekannt. Kurzum, Klausi packt an, wie es heißt, und handelt nach der Devise, dass das, was einmal gesagt wurde, auch umgesetzt wird.
Doch am Schluss bedeutet der Sieg nicht, dass mit dem Sieg der Gemeinschaft auch der Sieg über den Wandel einhergeht. Dieser ist nämlich unaufhaltbar. Menschen verändern sich, es entstehen neue Kreise, neue Verbindungen. Aber die Gemeinschaft bleibt. Und so endet “Manta, Manta” mit dem Sonnenaufgang und dem Fortbestand der Gruppe, leise untermalt mit der Mauerfall-Hymne “Wind of Change”.
Mehr Filmanalysen gibt es auf Celluloid Papers, dem persönlichen Blog unseres Autors.
Titelbild aus “Manta, Manta – Zwoter Teil” (© Constantin Film Verleih / Bernd Spauke)
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