Die österreichische Komödie “Kaviar” von Elena Tikhonova war eine der wenigen großen Spielfilm-Premieren bei der diesjährigen Diagonale. Als russisch-österreichische “Culture-Clash-Komödie” angekündigt, schickte sich der Film an, sich in die Riege der gelungenen Exponenten dieses Genres aus den letzten Jahren wie “Die Migrantigen” oder “Womit haben wir das verdient?” einzureihen. Kurzum: Man sah sich einer gewissen Erwartungshaltung gegenüber – die der Film leider nicht erfüllen kann.
von Christian Klosz
Nadja (Margarita Breitkreiz) verdingt sich als Dolmetscherin für den neureichen russischen Oligarchen Igor, der seit kurzem in Wien weilt, und mit einer gehörig unverschämten Idee aufhorchen lässt: Seine Residenz in der Hauptstadt will er direkt auf der Schwedenbrücke im ersten Bezirk bauen lassen. Die Einwände von Nadja, neben Übersetzerin auch “Mädchen für alles”, dass das hier nicht so leicht möglich sei, werden mit Verweis auf zur Weitergabe bereite prall befüllte Geldkoffer weggewischt. Während erste Treffen mit österreichischen Offiziellen eingefädelt werden, schmiedet Nadja mit ihrere Freundin Vera (Darya Nosik) und ihrer Babysitterin Teresa (Sabrina Reiter) einen ganz anderen Plan: Den geldgierigen Männern soll eine Lektion erteilt werden, und die 3 Millionen Schmiergeld am Ende in den Händen der Mädels-Clique landen. Doch auch Igor und seine Kumpanen sind nicht auf den Kopf gefallen…

“Kaviar” entwirft ein Setting zwischen noblen Dachterrassen, teuren Massagen, Geldkoffern und jeder Menge Alkohol, was wohl auch als Beleg dafür dienen soll, dass doch nicht alle Klischees pure Fantasie sind – immerhin ist die Regisseurin selbst Russin, und kennt ihr “Milieu”. Das Gewicht der Story wird paritätisch auf den Schultern der 3 Protagonistinnen Nadja, Vera und Teresa verteilt, die an sich ziemlich unterschiedlich sind: Nadja ist eine bestens gebildete Akademikerin mit 2 Doktor-Titeln und Kindern aus erster Ehe, die das geldgeile Treiben ihrer Landsleute durchaus hinterfragt und durchschaut, sich aber dennoch einen “starken Mann” an ihrer Seite wünscht; Vera wird als Provinz-Russin gezeichnet, die durch Heirat mit dem wohlhabenden Klaus (Georg Friedrich) zu Geld und einem österreichischen Pass gekommen ist – und nun die Nachteile (Klaus betrügt sie) diese Abhängigkeit zu spüren bekommt. Terese hingegen (ob auch sie russische Wurzeln hat, bleibt unbekannt) verdingt sich neben ihrer Anstellung als Babysitterin als “antikapitalistische Künstlerin” und lebt in einem besetzten Haus in einer alternativen Anarcho-Community.

Zuerst zum Positiven: Die bereits genannten (und auch die bisher ungenannten) Mimen machen ihre Sache durchwegs ordentlich. Besonders hervorzustreichen ist die Leistung von Sabrina Reiter als unbekümmert-gerissene und sympathische Teresa, die durch die Natürlichkeit ihrer Darstellung überzeugt.
Die erzählte Geschichte ist weniger unrealistisch, als sie auf den ersten Blick wirkt, und böte an sich den Boden für ein fulminantes Gagfeuerwerk – womit wir bei den Problemen von “Kaviar” angelangt sind: Viele der intendierten Scherze zünden nicht, oft wirkt der Erzählton und auch die Inszenierung allzu “brav” und bieder, vor allem wenn man den Film mit den oben genannten österreichischen Vertretern vergleicht. Vergeblich sucht man auch den Mut zur Subversion, zur Hinterfragung der dargestellten Klischees oder zum Blick “hinter die Kulisse”: Das dargestellte Bild entspricht großteils gängigen Klischees von geldverliebten russischen Männern und geldgierigen und statusbezogenen russischen Frauen. Kann man machen, wirkt aber insgesamt wenig innovativ, und lässt den Film im Vergleich mit ähnlichen Werken etwas alt aussehen.
Fazit:
Alles in allem ist “Kaviar” also kein totaler Reinfall, und bietet stellenweise ganz nette Unterhaltung, wirkt aber insgesamt zu brav, zu “glattgebügelt” und an den entscheidenden Stellen zu mutlos, um nach der Sichtung länger im Gedächtnis zu bleiben. Blickt man auf insbesondere in den letzten paar Jahren in Österreich entstandene Filme unterschiedlichster Genres und Zugänge, siedelt sich “Kaviar” leider in der unteren Hälfte an. Der Film ist ab 13.6. in den österreichischen Kinos zu sehen.
Bewertung:
5 von 10 Punkten
Bilder: Thimfilm