von Elli Leeb

Auch wenn sich unser Feature zu österreichischen Filmen vorwiegend mit österreichischen Produktionen auseinandersetzt, darf in dieser Liste der britische Film „Der dritte Mann“ von Carol Reed nicht fehlen. „Der dritte Mann“ ist aufgrund seines Schauplatzes Wien untrennbar mit der Stadt verbunden und trägt einen großen Teil zum Wiener Stadtmarketing bei, sei es aufgrund der „Dritten Mann Tour“ durch das Wiener Kanalsystem, des „Dritte Mann Museums“ oder aufgrund des normalerweise wöchentlich stattfindenden Screenings der Originalversion im Burg Kino. Zudem ist der im Jahre 1949 gedrehte schwarz-weiß Film fixer Bestandteil der kanonisierten Klassiker und wurde unter anderem vom British Film Institute zum besten Film des 20. Jahrhunderts gewählt.

Der wenig erfolgreiche amerikanische Schriftsteller Holly Martins (Joseph Cotten) kehrt zu Beginn des Films auf Einladung seines alten Schulfreundes Harry Lime (Orson Welles) in das zertrümmerte Wien der Nachkriegsjahre. Doch Martins kommt lediglich noch rechtzeitig zu Beerdigung Limes. Für den Schriftsteller ist allerdings schnell klar, dass irgendetwas nicht mit rechten Dingen zugegangen ist und beginnt, selbst Nachforschungen anzustellen. Wer ist der unauffindbare dritte Mann, der angeblich bei Harrys Tod an seiner Seite stand? Ist er überhaupt tot? Und war sein früherer Freund Lime immer noch so gutherzig oder stimmen die Gerüchte und er wurde zu einem Schwarzhändler, der gestrecktes Penicillin verkaufte und damit viele Menschleben am Gewissen hat?

Gekonnt wendet Drehbuchautor Graham Greene mittels des rätselhaften Mordes den Modus der Suspense an. Der Handlungsort Wien wird für damalige Verhältnisse ungewohnt düster und schaurig inszeniert. Der Fokus wird hier auf die Trümmerlandschaften der Nachkriegsjahre gelegt sowie auf die Korruption, die während der Besatzungszeit in der zwischen den Siegermächten geteilten Stadt vorzufinden war. Das Unheimliche, das von den Filmbildern ausgeht, ist Kameramann Robert Krasker zu verdanken, der seinerzeit mit dem Oscar für die „Beste Kamera“ ausgezeichnet wurde. Krasker setzt auf unzählige schiefe Kameraperspektiven, die auch als Sinnbild der Orientierungslosigkeit jener Zeit verstanden werden können. Hinzu kommt das inzwischen allseits bekannte „Harry-Lime-Thema“, das von dem Wiener Komponisten Anton Karas auf einer Zither eingespielt wurde. Von dem Klang der Zither geht kein beschwingter Frohmut aus, stattdessen wird den Szenen gekonnt eine beklemmende, doppelbödige Heiterkeit verliehen. Während des damaligen Filmstarts schafften es Karas‘ Zitherklänge auch wochenlang in die US-amerikanischen Charts. 

Der Film Noir ist überhäuft von mittlerweile ikonischen Szenen. Die expressiv gefilmten Wiener Gassen, die Szenen im zerstörten Wiener Prater, wenn das Licht das erste Mal auf Harry Limes Gesicht fällt, allen voran steht aber die Verfolgungsjagd im Wiener Kanalsystem. Das nihilistische Nachkriegssittenbild endet dort, wo es begonnen hatte: Am Wiener Zentralfriedhof.

Fazit

Carol Reeds Schwarz-Weiß-Film „Der dritte Mann“ ist im zertrümmerten und moralisch zerstörten Wien der Nachkriegsjahre verortet. In wunderschönen, poetischen Aufnahmen mit verzerrten Bildern und schrägen Kameraperspektiven wird der Stadt ein düsterer Charme verliehen. 108 Minuten lang schafft der Film Noir-Klassiker eine realistische Schilderung der damalig vorherrschenden Atmosphäre und setzt den Wiener Verhältnissen der Nachkriegsjahre so ein Denkmal. So überrascht auch die Adelung des British Film Institut keineswegs.


Elli Leeb präsentiert, zumindest solange die Kinos geschlossen haben, immer Sonntags „Klassiker des österreichischen Films“. Damit möchten wir der österreichischen Filmwirtschaft und dem österreichischen Film allgemein den Respekt zollen, den es derzeit vonseiten der Politik nur in unzureichendem Ausmaß gibt. Sofern die Filme auf österreichischen Streaming-Anbietern (z.B. Kino VOD Club) verfügbar sind, kann der Erwerb auch eine kleine Unterstützung für die österreichischen Verleiher und Programmkinos sein. Die weiteren, bereits vorgestellten Film-Klassiker lassen sich HIER nachlesen.