Mit seiner, für damalige Verhältnisse revolutionären Technik, den philosophischen Storyelementen, der metaphorischen Breitseite gegen den globalen Kapitalismus und einem Keanu Reeves auf dem vorläufigen Höhepunkt seiner Schaffensphase hatte „Matrix“ seinerzeit diverse Schauwerte, die bis heute überdauern und zumindest Teil 1 der Trilogie einen Kultstatus eingebracht haben. Die schnell folgenden Fortsetzungen konnten dieses Level nicht halten – ihre angebliche Genialität hat sich nur den wenigsten erschlossen.

von Cliff Brockerhoff

Dementsprechend groß war die Skepsis als irgendwann Gerüchte über einen vierten Teil den Äther fluteten. Die Geschichte von einst war auserzählt, die Faszination der simulierten Realität ist in Zeiten von VR und Co. längst der Normalität gewichen und das generelle Bedürfnis nach der Wiederbelebung beerdigter Franchises steigt mit jedem Reinfall auch nicht gerade ins Unermessliche. Lana Wachowski ist all dies offenbar vollkommen egal, sie präsentiert uns nun, ganze 18 Jahre nach dem Abschluss, mit „Matrix – Resurrections“ eine Mischung aus Soft-Reboot, Sequel und Branchenkritik.

Selbstredend und erfreulicherweise wieder mit dabei: Keanu Reeves und Carrie-Ann Moss als Thomas „Neo“ Anderson und „Trinity„, seine Freundin mit dem Lederfetisch – im Film ganz nebenbei zur „MILF“ gekürt. Weisse Bescheid, Schätzelein. Erzählerisch befinden wir uns 60 Jahre nach Neos Befriedung der Welt, doch als der bärtige Spieleentwickler plötzlich von Flashbacks geplagt wird und sein Therapeut ihm die Rückkehr seiner Angstzustände attestiert, steht für Neo fest, dass auch die Matrix zurückgekehrt ist und er dem Hasen ein weiteres Mal in das Wunderland folgen muss. Doch ganz so einfach will Lana Wachowski, die Verbliebene der zwei Schwestern, das Spiel dieses Mal nicht spielen. Stattdessen startet „Matrix Resurrections“ auf einer vollkommen seltsam anmutenden Meta-Ebene, bebildert ein Best-Of der bisherigen Schaffensphase und klagt zudem ganz unverblümt sein Leid über den verklärten Nostalgiewahn, der es Filmemachern schwer macht abseits von zahlreichen Fortsetzungen oder Remakes kreativ zu werden. Soweit absolut nachvollziehbar und auf kuriose Art gar unterhaltsam, gerade weil der Film den Gedanken aufwirft, dass die vorangegangene Trilogie lediglich eine Wahnvorstellung war.

Blöd nur, dass Wachowski sich mit dem vierten Teil ihres Franchises offenbar kampflos in genau dieses Schicksal fügt und ebenso zahnlos an der Zitze der Cashcow saugen möchte, die sie auf der anderen Seite so bitterlich beklagt. Anhänger der Reihe werden hier möglicherweise eine wundervoll bissige Satire und den Mut bescheinigen sich selbst auf’s Korn zu nehmen, auf den neutralen Beobachter wirkt das erste Drittel aber bedenklich albern und bekräftigt leider die ursprüngliche Vermutung. Als der Film sein anfangs bespieltes Terrain dann verlässt und den wahren Kern seiner Geschichte eröffnet, befinden wir uns schon weit fortgeschritten in der viel zu üppigen Laufzeit und quälen uns durch nicht enden wollende Exposition. Der Film erzählt und erklärt, wird zusehends generischer, weist immer wieder auf das noch so Offensichtliche hin und ergeht sich in wahlweise sinnlosen oder unlustigen Dialogen, unterbrochen von den typisch Matrix’esquen Actionkaskaden, die optisch zwar ganz hübsch anzusehen sind, jedoch ebenfalls wirken, als habe man sie den vorherigen Werken entnommen, hochskaliert und in gleichbleibender Frequenz zwischen die Unterhaltungen geschnitten um das Publikum irgendwie vor der vollkommenen Lethargie zu bewahren – mit moderatem Erfolg.

An dieser Stelle würden nun im Normalfall natürlich auch die positiven Aspekte des Werkes aufgeführt werden, doch diese haben sich so tief im Datenkonstrukt versteckt, dass es tatsächlich schwer fällt sie klar herauszuarbeiten. Natürlich ist es nach dieser langen Zeit schön in die altbekannten Gesichter zu blicken, vereinzelte Additionen zur bekannten Story zu erhaschen und sich auch einfach mal von der doch sehr simplen Handlung berieseln zu lassen, doch gerade letzteres steht in krassem Kontrast zur eigentlichen Intention von „Matrix“. Die damals philosophischen Anleihen versumpfen heute in der unausgegorenen Genre-Mischung, der komplette Cast wirkt völlig lustlos – respektive unterfordert – und was 1999 vielleicht einmal wegweisend war, wirkt derweil nun schlicht erzwungen cool. Generell scheint der vierte (und hoffentlich letzte) Teil der Reihe das Kunststück bewerkstelligt zu haben alle negativen Komponenten seiner Vorgänger zu extrahieren und sie uns nun als Hauptspeise vorzusetzen. In Anbetracht aller Umstände ist „Matrix Resurrections“ aber lediglich ein lauwarmer Aufguss, den man irgendwann schon mal gegessen hat und der es weder schafft alte Fans zu begeistern, noch potentiell neue Interessenten auf den Geschmack zu bringen. Mit bestem Dank zurück in die Küche, Frau Wachowski.

Fazit

Zwischen belanglosem Bombast und bombastischer Belanglosigkeit erzählt „Matrix Resurrections“ zähe zweieinhalb Stunden ohne irgendetwas zu sagen zu haben. Die einzelnen Storyelemente sind so holprig verknüpft, dass es selbst die kühnsten Fantasien übersteigt und sich am Ende lediglich die große Frage nach dem „Warum?“ stellt. Dringender Appell: Nehmt die blaue Pille, behaltet das Franchise in guter Erinnerung und spart euch diesen fürchterlich uninspirierten Versuch der Auferstehung. Mehr als die stumpfe Bilanzierung seiner Vorgänger wird hier tatsächlich nicht aufgetischt.

Bewertung

Bewertung: 3 von 10.

(27/100)

Bilder: (c) Warner Bros.