Was ist es, das Filme über den zweiten Weltkrieg so faszinierend und beliebt macht? Vielleicht die Tatsache, dass es in diesem Konflikt, konträr zu so vielen anderen, die die Welt erlebt hat, vergleichsweise einfach ist, die Guten und die Bösen auszumachen. Es ist der simple Kampf, Gut gegen Böse, und das verpackt in einen historischen Kontext, der so viele verschiedene Geschichten beinhaltet, dass das Potenzial für Verfilmungen praktisch unerschöpflich ist. Während die meisten Filme allerdings entweder mitten im zweiten Weltkrieg oder nahe dem Ende angesetzt sind, gibt es deutlich weniger Filme, deren Fokus auf der Zeit kurz vor Ausbruch des Krieges liegt.
von Lena Wasserburger
„München – Im Angesicht des Krieges“ dreht sich um das Abkommen von München, das den ohnehin brüchigen Frieden in Europa wahren sollte, den Ausbruch des Krieges letztendlich aber nicht verhindern konnte. „München“ ist also weniger Kriegsfilm, als Spionagethriller und basiert auf dem gleichnamigen Roman von Robert Harris.
Im Jahr 1938 wird der Sekretär des britischen Premierministers, Hugh Legat (George MacKay), beauftragt, beim Gipfel europäischer Staatsoberhäupter in München einen Spionageakt für die britische Regierung auszuführen. Er soll Dokumente in seinen Besitz bringen, die beweisen, dass Hitler plant, einen Eroberungskrieg in ganz Europa zu führen. Um seine Aufgabe zu erfüllen, kollaboriert Hugh mit einem alten Freund und Studienkollegen, Paul von Hartmann (Jannis Niewöhner), der selbst den Plan verfolgt, Hitler mit allen Mitteln aufzuhalten.
Wann immer ein Film auf realen historischen Ereignissen basiert, deren Ausgang den Menschen bereits bekannt ist, stellt sich die Frage, ob es überhaupt möglich ist, Spannung aufzubauen. Mit „München- Im Angesicht des Krieges“ zeigt Regisseur Christian Schwochow, dass Spannung nicht nur dann entsteht, wenn das Ende einer Geschichte noch unbekannt ist. Die Geschichte ist ein Wettlauf gegen die Zeit, um einen zu diesem Zeitpunkt vermutlich bereits unausweichlichen Krieg zu verhindern. Der Ausgang der Story ist von Beginn an klar und doch, wenn die Charaktere von A nach B eilen, um diese und jene wichtige Information zu überbringen, kommt man nicht umhin, mit ihnen mitzufiebern.
Das Gefühl von Spannung erzeugt der Film vor allem durch seine Musik, die oftmals von dem Geräusch einer tickenden Uhr begleitet wird. Anfangs braucht “München” zwar eine Weile, um Tempo und Handlung aufzubauen, doch spätestens ab der zweiten Hälfte herrscht ständig Bewegung. Es gibt kaum Momente, in denen Zeit zum Aufatmen bleibt und wenn die Kamera länger an einem Ort verweilt, dann ist es meistens im Rahmen einer Nahaufnahme der Gesichter der Protagonisten, denen der Stress durchwegs anzusehen ist.
An der Besetzung des Films gibt es kaum etwas auszusetzen. George MacKay, der bereits in „1917“ (2019) als Soldat eine wichtige Nachricht überbringen musste, um eine Schlacht zu verhindern, zeigt hier also erneut, dass historische Verfilmungen sein Spezialgebiet sind, auch wenn er in diesem Film im Vergleich zu seinen Szenenpartnern oftmals weniger dynamisch und aktiv wirkt. Dynamisch und aktiv sind hingegen zwei Worte, die Jannis Niewöhners schauspielerische Leistung auf den Punkt bringen. Jeremy Irons‘ Performance als Premierminister Neville Chamberlain ist allerdings klar einer der interessantesten und besten Aspekte des Films.
Was „München – Im Angesicht des Krieges“ jedoch zuweilen ein wenig fehlt, ist Tiefgang. Mit seinen zwei Stunden Laufzeit ist der Film zwar nicht kurz, es fühlt sich jedoch so an, als wäre in der Geschichte noch nicht alles gesagt. Gerade die beiden Hauptcharaktere, Hugh und Paul, sowie deren Freundschaft hätte weiter ausgebaut werden können. Zwar liegt der Fokus der Story auf dem Abkommen von München, doch wird sie aus der Perspektive der beiden jungen, fiktiven Männer erzählt. Ebendiese besser kennenzulernen, hätte den so fehlenden Tiefgang vielleicht wettmachen können.

Fazit
„München – Im Angesicht des Krieges“ ist ein spannender, unterhaltsamer Thriller mit viel Liebe zum Detail. Gerade Set- und Kostümdesign sind toll anzusehen und machen in der Bildkomposition letztlich viel aus. Nach einer ersten, eher konservativen Filmhälfte, glänzt „München“ vor allem durch seine temporeiche Handlung und überzeugende schauspielerische Leistungen von Niewöhner, Irons und MacKay. Jetzt auf Netflix!
Bewertung
(84/100)
Bilder: (c) Netflix