Hätte das Pärchen geahnt, was für einen Bären ihnen Elizabeth Banks („3 Engel für Charlie“, „Pitch Perfect 2“) während ihrer Wanderung im National Park auf den Hals jagt, hätten Sie vermutlich den Mund nicht so voll genommen und sich über ihr „Glück in der Natur“ gefreut. Denn die Regisseurin hält mit ihre, Werk „Cocaine Bear“ genau das, was der Titel verspricht: Die Begegnung mit einem wild gewordener Bären auf dem Trip seines Lebens. Dabei basiert der Action-Comedy-Thriller auf einer (zumindest teilweise) wahren Begebenheit. Mitte der 80er-Jahre gab es tatsächlich einen Bären, der über dem Nationalpark abgeworfene Schmuggelware fraß. Nur starb es direkt an einer Überdosis und steht seitdem ausgestopft als „Pablo Escobear“ im Museum.

von Madeleine Eger

Was aber dabei rauskommt, wenn ein Bär ein Paket Kokain nach dem anderen frisst und im Vollrausch auf nichts ahnende Naturliebhaber und Drogenbosse stößt, zeigt „Cocaine Bear“ mit viel Freude und einem filmischen Höhepunkt bei dem „I just can get enough“ von Depeche Mode wie die Faust aufs Auge passt.

Ein Drogenschmuggel geht 1985 per Flieger über dem Chattahoochee National Park im nördlichen Georgia gehörig schief. Der Pilot, der sich selbst großzügig am Pulver bedient, wirft die gefüllten Sporttaschen zwar irgendwo über den Wäldern ab, stürzt sich aber beim anschließenden Sprung aus dem Flugzeug in den ungeplanten Tod. Damit muss nun Drogenboss Syd (in seiner letzten Rolle: Ray Liotta) sich selbst auf den Weg machen und die verteilte Fracht einsammeln. In der Zwischenzeit hat aber auch Polizist Bob (Isah Whitlock Jr.) die Ermittlung aufgenommen, eine Gruppe Jugendlicher sowie die zwei abenteuerlustigen Kids Dee Dee (Brooklynn Prince) und Henry (Christian Convery) sind ebenfalls schon auf die Päckchen gestoßen – und zu allem Überfluss jagt nun noch der große Schwarzbär dem Rauschmittel hinterher. Und der kennt keine Gnade mehr, als zusätzlich Parkrangerin Liz (Margo Martindale) und ihr Date Peter (Jesse Tyler Ferguson) gemeinsam mit Dee Dees Mutter Sari (Keri Russell) im Wald auftauchen, um die Schulschwänzer wieder einzusammeln.

Dass Elizabeth Banks ihre Interpretation der Geschichte in „Cocaine Bear“ nicht allzu ernst nehmen wird, sollte spätestens dann klar sein, wenn der flauschige Riese zunächst zum rasenden Monster mutiert und nicht nur die idyllische Zweisamkeit der Wandertouristen, sondern auch deren Körper zerreißt, danach aber augenblicklich mit einem kleinen zarten Schmetterling spielt. Oder wenn das eben noch mordende Tier einfach die nächste Line Kokain vom abgetrennten Bein seines letzten Opfers schnupft und daraufhin zufrieden davon trottet. Derartig absurde Szenarien findet man in „Cocaine Bear“ fast am laufenden Band, und diese gipfeln letztendlich in einem der stärksten Momente des gesamten Films. Nämlich dann, wenn sich der Bär eine wilde Verfolgungsjagd mit einem Krankenwagen liefert und die Insassen sich innerhalb kürzester Zeit vom Leben verabschieden dürfen: Ein überzeichneter, aber sehr spaßiger Höhepunkt, dem schließlich einige Minuten folgen, um das eigentliche, vergleichsweise zahnlose und enttäuschende, tatsächliche Finale vorzubereiten. Nicht nur, dass es dort inszenatorisch fast an allem fehlt, was die Verfolgungsjagd eben noch gekonnt in Szene gesetzt hatte, auch offenbart sich an dem Punkt erst recht, was sich erzählerisch schon im Vorfeld immer mal wieder andeutete.

Dadurch, dass sich das Drehbuch auf etliche Figuren stützt, sie alle in groben Zügen mit einer individuellen Hintergrundgeschichte ausstattet und versucht, deren Handlungsstränge im Verlauf miteinander zu verflechten, ist „Cocaine Bear“ mit seinen abzuhandelnden Charakteren am Ende schlichtweg überladen. Sicherlich spielen vor allem Alden Ehrenreich („Solo – A Star Wars Story“) oder Aaron Holliday („Euphoria“) ihre Rollen im Vergleich zu anderen Genrevertretern außerordentlich gut und auch die Dialoge mit den schlagfertigen Kids Brooklynn Prince („Florida Project“) und Christian Convery sind zu weiten Teilen knackig pointiert geschrieben. Das Drehbuch tut sich trotzdem merklich schwer, die etlichen Charaktere, deren Dramaturgie und den einfach völlig durchgeknallten Bären passend unter einen Hut zu bekommen. Denn so viel Spannung und Tempo wie mit der Verfolgungsjagd und dem horrorfilmartigen Vorspiel im Visitorcenter des Nationalparks erreicht „Cocaine Bear“ bedauerlicherweise zu keinem anderen Zeitpunkt.

Fazit

Der blutige Horrortrip und die wilde Jagd nach Kokain kann zuweilen gehörig Spaß machen. Mit der Vielzahl an beteiligten Figuren übernimmt sich das Drehbuch allerdings ein wenig und dem Finale wird durch die vorangestellten besten Szenen überhaupt komplett der Wind aus den Segeln genommen. Insgesamt gesehen ist „Cocaine Bear“ aber am Ende genau das, was der Titel erwarten lässt: Ein ziemlich wilder (Drogen-)Trip.

Bewertung

Bewertung: 6 von 10.

64/100

Bild: (c) 2023 Universal Studios