„Eine Frage der Ehre“ (Originaltitel: A Few Good Men) von Rob Reiner ist ein völlig zu Unrecht etwas in Vergessenheit geratenes courtroom-drama vom Anfang der 90er-Jahre. Von der Theaterbühne adaptiert, entfaltet das Kammerspiel auch auf der Kinoleinwand seine Magie, ist gespickt mit hervorragenden Darstellerleistungen, und gipfelt in einem Generationenduell Cruise gegen Nicholson, das an Intensität kaum zu überbieten ist.
Daniel Kaffee (Tom Cruise), frisch von der lawschool entlassener Jungspund, wird mit der Untersuchung eines dubiosen Todesfalls eines Marines auf Guantanamo Bay beauftragt. Zuerst mäßig an der Verteidigung seiner des Mordes beschuldigten Mandanten interessiert, bewegt ihn erst das Drängen der idealistischen Commander Galloway (Demi Moore) dazu, den Fall vor Gericht zu bringen. Die Suche nach Schuld, Macht(missbrauch) und letztendlich der Wahrheit gipfelt in einem packenden wie überraschenden Finale, bei dem das Gute über das Böse gewinnt.
Rob Reiner inszeniert das von Aaron Sorkin (Drehbuchautor von u.a. The Social Network und Moneyball) von dessen eigenem Theaterstück adaptierte Drehbuch (großteils) ohne Pomp und Spektakel, sondern als Kammerspiel: Die Spannung entsteht aus den Dialogen bzw. durch das Aufeinanderprallen gut geschriebener Charaktere, die Handschrift des Theaterautors Sorkin bleibt hier sichtbar. Gefilmt wird das Ganze von Kameramaler Robert Richardson, der es – wie immer – versteht, wunderschöne Bilder auf die Leinwand zu zaubern. Hervorzuheben sind auch die darstellerischen Leistungen von Kiefer Sutherland, Jack Nicholson (Col. Jessup), und vor allem Tom Cruise, der hier beweist, dass er ein wirklich guter Schauspieler ist (wenn er sich nicht absurden Scientology-Science-Fiction-Verfilmungen hingibt).
Die Suche nach Wahrheit und Schuld, die um das Motiv Macht(missbrauch) zirkuliert, läuft auf das Duell Cruise gegen Nicholson hinaus: Der Eine (Cruise), cleverer Jung-Anwalt, fordert den Anderen (Nicholson), mürrischen wie machtbesessenen Alt-Militär, zu einem finalen Duell im Gerichtssaal, bei dem das Gute über das Böse siegt, sprich: Moral und Gesetz über Machtgier. Das Aufeinanderprallen dieser beiden Ausnahmeschauspieler, das ist ganz großes Kino.
Am Ende steht ein – zu Unrecht – unterschätzter Film, der sich ohne weiteres in die Reihe der großen Gerichtsfilm-Klassiker einreiht. Leicht überbordender Amerika-Patriotismus (vor Allem am Ende) schwächt zwar den Eindruck etwas, ändert aber nichts daran, dass Eine Frage der Ehre ein wirklich guter Film ist.
Hat dies auf Film plus Kritik – Online-Magazin für Film & Kino rebloggt.
Ich stimme der Kritik zu großen Teilen zu. Störend jedoch, daß die anfängliche feine Differenzierung des Filmes, die auch Graustufen zuläßt, indem sie Jessup/Nicholson eindrucksvoll argumentieren läßt, sich gegen Prozeßende immer mehr in eine reine und sehr amerikanische Schwarz-Weiß-Malerei begibt (einerseits der gute junge Anwalt und der unschuldige verblendete Soldat und andererseits der böse, arrogante, überhebliche General – aber das Gute siegt ja über das Böse, so, wie sich Lieschen Müller die USA vorzustellen hat). Der negative Höhepunkt eines sonst prächtigen Filmschlusses ist die ordinäre fäkalsprachliche Beschimpfung des jungen Anwaltes an die Adresse des mittlerweile verhafteten und daher nicht mehr gefährlichen Generals, also ein richtiges proletarisches Nachtreten aus seiner Emotion heraus, das erstens weder zu den unter Offizieren üblichen höflichen Umgangsformen paßt, ebensowenig wie es vor Gericht angemessen ist und ihm zumindest bei mir enorm viel Sympathie zerstört. Insgesamt aber ein spannender und gut gemachter Film, den ich mir immer wieder gerne ansehe.
Die tendenzielle Schwarz-Weiß-Malerei gehört zum amerikanischen Mainstream-Kino der 90-er – und wenngleich das etwas ist, das ich früher oft kritisiert habe, muss ich sagen, dass mir das inzwischen geradezu abgeht, nachdem man durch Trump etc. jegliche moralische Autorität verloren hat.
Das Ende hat mich nicht gestört – man darf nicht vergessen, dass es sich bei allem trotzdem um einen Unterhaltungsfilm handelt, in dem nunmal der “Underdog” gegen den “amoralischen Fiesling” triumphieren muss. Man kann das ganze auch als filmischen Ausflug in bessere Zeiten sehen, da inzwischen ja die “amoralischen Fieslinge” in den USA obenauf sind. Da wäre mir leicht verklärender Kitsch immer noch um einiges lieber. lg, CK